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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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kostbaren Wandgemälden geschmückte Kapitelsaal und der vornehme Gast einschüchterten. Doch als die Schreiber vorhin in den Saal geführt worden waren, hatte dieser Mann die Umgebung und auch ihn, Enzio, rasch und abschätzend gemustert.
    Nun, der Rothaarige ist schlau genug, schnell zu erkennen, wo sein Vorteil liegt, dachte der Kardinal amüsiert, während er scheinbar versonnen eines der Wandgemälde betrachtete. Im Sonnenlicht funkelten die bunten Glasstücke, die den Farben beigemischt worden waren, wie Edelsteine.
    »Ihr seid also zufällig auf den Jungen – ich meine, die Frau, die ihr für den Jungen hieltet – bei den Stallungen getroffen«, wandte Enzio sich wieder den Schreibern zu. »Ihr habt mit ihm gestritten, weil er euch die Arbeit weggenommen hat. Daraufhin hat der Junge ein Feuer aus seiner hohlen Hand gezaubert, um euch zu schaden. Ihr wolltet das Feuer löschen, damit es nicht auf die Scheune übergriff. Es kam zum Kampf. Und dabei wiederum stellte sich heraus, dass sich eine Frau im Gewand des Jungen verbarg, und mithilfe von Zaubermitteln gelang es ihr, euch zu entkommen …«
    »So ist es, Herr«, bestätigte der Rothaarige. Die beiden anderen Männer nickten stumm.
    Der Kardinal beugte sich vor und hob die Augenbrauen. »Tatsächlich? Ihr fandet den Jungen zufällig? Nun, ich könnte mir eher vorstellen, dass ihr zornig auf ihn wart und ihn gesucht habt, um ihm einen Denkzettel zu verpassen. Was euch niemand verübeln würde …«
    Die Lider des Rothaarigen hoben sich flackernd, sein Blick streifte den Kardinal. Er begriff. »Ihr habt Recht, Herr«, sagte er unterwürfig. »Wir waren zornig auf den Jungen. Er hatte uns zum Narren gehalten. Aber dann spielte sich alles so ab, wie wir es Euch sagten.«
    Dem Kardinal entging nicht, dass der blonde Schreiber bei diesen Worten zusammenzuckte und sich der Körper des Stämmigen noch mehr anspannte. Enzio war davon überzeugt, dass die Männer irgendein Feuer mitgebracht hatten, durch das die Scheune in Brand geraten war. Ein Brand, den sie nicht mehr hatten kontrollieren können und mit dessen Hilfe es der Frau gelungen war zu entkommen. Das Feuer hatte das Kloster einen großen Teil des Daches samt der in der Scheune gelagerten Heuvorräte gekostet. Aber da diese Lüge seinen Zielen nutzte, ließ der Kardinal sie den Schreibern durchgehen.
    »Zauberei ist eine schwere Sünde, ebenso wie Ketzerei«, erklärte Enzio bedächtig. »Leider vermischt sich beides nicht selten. Es ist wichtig, das Unkraut beizeiten auszureißen und zu vernichten, damit es sich nicht unter den Weizen mischt und ihn verdirbt.« Während der Kardinal sprach, ließ er seinen Blick wieder über die großflächigen, farbenprächtigen Wandgemälde schweifen. Sie zeigten Szenen aus den biblischen Büchern. Begebenheiten, bei denen Menschen für den wahren Glauben gestorben waren. Märtyrer der Kirche …
    Im vorderen Teil des Saales, dort, wo die Sonne gelb durch die bleigefassten Glasfenster fiel, leuchteten die Farben hell. Im hinteren Teil des großen Raums verdämmerten sie. Es war ein guter Witz, dass ausgerechnet er hier saß und so sprach, ging es dem Kardinal durch den Kopf. Gisbert, der tote Inquisitor, hätte die Reinheit des Glaubens kaum besser verteidigen können. Gisbert, der hoffentlich für alle Zeit in dem abgelegenen Waldteich ruhte.
    »Ihr wisst, dass mich der Allerheiligste Vater, Papst Gregor, damit beauftragt hat, über die Reinheit des Glaubens in diesem Land zu wachen?«
    »Ja, Herr.« Die Stimme des rothaarigen Schreibers klang dienstbeflissen, die der beiden anderen Männer unsicher wie schwankendes Rohr.
    Der Kardinal sah die Männer ernst und eindringlich an. »Zauberei und Ketzerei erwachsen aus derselben Wurzel: der Abkehr von der Kirche und ihren Geboten. Diese Frau muss gefunden werden, damit sie vor Gott und den Menschen zur Rechenschaft gezogen werden kann. Wenn ihr euch an etwas erinnert, das helfen kann, sie aufzuspüren, oder falls ihr der Frau an irgendeinem Ort begegnet, seid ihr verpflichtet, dies anzuzeigen. Mich selbst findet ihr bald in Köln, am Hof des Erzbischofs Heinrich von Müllenark.« Der Ernst in der Miene des Kardinals machte einem leichten Lächeln Platz. »Die Frau trieb ihr Unwesen, während ich Gast in diesem Kloster war. Deshalb wäre mir sehr daran gelegen, wenn ich meinen Gastgebern Gerechtigkeit widerfahren lassen könnte. Wer auch immer mir etwas über die Frau mitteilt, kann einer Belohnung sicher sein.«

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