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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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Einen Moment berührten ihre Finger das Leder, das die Pinsel und den Silberstift enthielt, ehe sie es rasch wieder zwischen die übrigen Dinge schob.
    Sie musste herausfinden, wo sie sich befand. Nachdem sie eine der bunten Decken um sich geschlungen hatte, setzte sie ihre Füße auf den Boden. Doch als sie versuchte aufzustehen, schoss ein so heftiger Schmerz durch ihr rechtes Bein, dass sie leise aufschrie und auf den Strohsack zurücksank. Aber sie biss die Zähne zusammen und wagte es noch einmal, indem sie sich mit den Armen an der Wand abstützte und weniger Gewicht auf den Fuß verlagerte. Es gelang ihr, zu der Luke zu humpeln. Dort angekommen, stützte sie sich mit den Händen am Rand der Öffnung ab.
    Als sie nach draußen blickte, hatte sich die Sonne hinter einer Wolke verborgen und stand dicht über dem Horizont. Donata erkannte, dass sich der Verschlag in einem Giebel befand. Das Dach darunter fiel nicht allzu steil ab. Es endete über einem Schuppen. Dieser war an das Haus angebaut, das sie beherbergte, und bildete gleichzeitig, zusammen mit einem langen Weidenzaun, die Grenze zum Nachbargrundstück. Die Luke war gerade breit genug, dass sich Donata hindurchzwängen konnte. Falls es nötig sein sollte, würde es nicht schwierig sein, über das Dach zu entkommen.
    Ein großer Garten erstreckte sich hinter dem Gebäude. Zwei Reihen von Bäumen standen in seinem rückwärtigen Teil. Obwohl der Schnee ihre Kronen bedeckte, konnte Donata die struppigen Umrisse von Apfel- und die höheren, kelchförmigen von Birnbäumen erkennen. Die Frauen, die sie aufgenommen hatten, kleideten sich zwar einfach, arm waren sie aber nicht.
    Nun brach die Sonne wieder hinter der Wolke hervor. Ihr Schein fiel auf eine Kirche, die sich nicht weit entfernt hinter den Obstbäumen und einigen mit rußigem Schnee bedeckten Dachreihen erhob. Zwei Türme, die mit flachen Hauben versehen waren, flankierten den Längsbau. Daran schloss sich ein hoher weiterer Baukörper an – ein Vieleck. Die Sonnenstrahlen überzogen den bräunlich grauen Stein mit einem orangefarbenen Schimmer und hoben die Säulenreihen und Gesimse, die die Wände schmückten, plastisch hervor. Donata hatte die Empfindung, dass der Bau von innen her leuchtete und über den Häusern zu schweben schien, die schon im Schatten lagen. Gebannt starrte sie darauf.
    Als die Tür des Verschlages sich öffnete, erschrak sie und drehte sich hastig um. Doch es war nur die blonde Frau, die Bilhildis hieß, die hereinkam. Ohne sich darüber erstaunt zu zeigen, dass Donata den Strohsack verlassen hatte, trat Bilhildis neben sie an die Luke. Schweigend sahen die beiden Frauen zu, wie über der Kirche allmählich das Abendlicht erlosch.
    »Es ist schön …«, sagte Bilhildis leise.
    In Donata brach etwas auf, was sie während der vergangenen Jahre in sich verschlossen gehalten hatte. Eine Sehnsucht nach Schönheit und Harmonie, von der sie nicht geglaubt hatte, sie noch zu besitzen. Gegen ihren Willen erwiderte sie leise: »Ja, als ob ein Licht im Innern der Apsis brennen und sie erhellen würde.«
    »Gottes Geist glüht in allem. Zu jeder Zeit, wie ein lebendiges Feuer …« Bilhildis’ Miene war still und selbstvergessen.
    Verwundert und zornig schaute Donata sie an. Sie wollte heftig antworten, dass Bilhildis sich täuschte. Dass Gottes Geist nicht Schönheit, sondern Finsternis und Leid hervorbrachte. Sie hatte jedoch Angst, etwas von sich preiszugeben, was ihr gefährlich werden konnte. Deshalb wandte sie sich ab und wollte zu ihrem Strohsack zurückgehen. Aber sie hatte vergessen, dass sie ihren Fuß nicht belasten konnte. Als sie auf ihn trat, war der jähe Schmerz so heftig, dass sie stolperte. Bilhildis stützte sie und führte sie zum Lager zurück. Dort kniete sie sich vor Donata auf den Boden und tastete den stark geschwollenen Fuß ab. Ihr Gesichtsausdruck war konzentriert und nach innen gerichtet. Donata hatte die Empfindung, dass durch die Berührung von Bilhildis’ Fingern der Schmerz ein wenig nachließ, so als ob sie ihn wegsaugten.
    Schließlich griff die junge Frau in die Taschen ihres weiten Mantels und förderte eine Tonflasche, Tücher und Stoffstreifen zu Tage. Als sie die Flasche öffnete, entstieg dieser der scharfe Geruch von Essig. Sie tränkte die Tücher mit der Flüssigkeit und legte die Lappen behutsam auf die Schwellung.
    »Dein Fieber ist fast ganz zurückgegangen. Aber mit dem Fuß wirst du noch eine Weile Schwierigkeiten haben. Bist du

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