Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
Vom Netzwerk:
weiter auf das laute Geschimpfe, das sein Begleiter ausstieß. Er hatte Glück gehabt, dass er diesem leicht beeinflussbaren Handwerkersohn am Morgen auf dem Markt begegnet war. Denn so war er an einen Auftrag gekommen, an eine warme Mahlzeit und ein gutes Bett für die Nacht. Es musste ihm nun noch gelingen, Ida Sterzin davon zu überzeugen, dass er ihr weitere wichtige Ratschläge gegen die Beginen geben konnte. Dann ließ sie ihn sicher länger im Haus der Sterzins wohnen. Vielleicht sollte er auch einfach behaupten, er könne ihr Zugang zu dem päpstlichen Legaten verschaffen, der bald in die Stadt einziehen würde. Ida Sterzin war zwar nicht dumm, aber ihr Hass auf die Beginen groß. Nein, Gernot und Wulf, die die Nacht auf dem schmutzigen und nicht gerade billigen Dachboden eines der Brauereigebäude verbringen mussten, waren viel schlechter dran als er.
    »Dort, dort haben sie ihr Haus!« Jörg Sterzin schwankte und deutete anklagend auf ein zweistöckiges Fachwerkhaus auf der anderen Seite der Gasse.
    »Wer, sie? «, fragte Veit irritiert.
    »Die … die Beginen. Hu… Huren.« Jörgs Stimme schwoll an. »Komm weiter.« Veit packte Jörg an der Schulter, um ihn vorwärts zu schieben.
    Doch in diesem Augenblick öffnete sich die Tür des Hauses und ein schmaler Lichtstreifen fiel auf die Gasse. Jörg Sterzin rammte die Füße in den Schnee und schrie trotzig: »Wir … Wir werden es euch zeigen!«
    »He, ist ja gut. Beruhige dich.« Veit war nicht daran gelegen, in eine Auseinandersetzung zwischen dem angetrunkenen Sterzin, den Beginen und den Nachbarn zu geraten, die wahrscheinlich auf der Gasse erscheinen würden, wenn ein lautstarker Streit ausbrach. Deshalb zerrte er Jörg in eine offene Toreinfahrt. Der junge Sterzin verlor endgültig das Gleichgewicht und rutschte auf dem gefrorenen Boden aus. Wehleidig vor sich hin murmelnd, versuchte er, wieder auf die Beine zu kommen.
    Veit stöhnte innerlich, rief sich aber ins Gedächtnis, dass er seinem Begleiter immerhin einen Schlafplatz verdankte und dass er nichts davon hatte, wenn er ihn gegen sich aufbrachte. Er streckte die Hand aus, um ihm aufzuhelfen. Dabei fiel sein Blick auf eine schmale, nicht allzu große Frau, die nun aus der Tür des Beginenhauses trat. Sie trug einen Eimer in den Händen, dessen dampfenden Inhalt sie auf die Gasse schüttete, und bewegte sich ungelenk, als ob ihr die wenigen Schritte Schmerzen bereiteten.
    Jörg murrte immer noch in Veits Rücken. Der Schreiber beachtete ihn nicht mehr. Der Laden vor dem Fenster eines Nachbarhauses wurde aufgestoßen. Licht drang daraus nach draußen. Es fiel bis auf den Grund der Gasse und beleuchtete das magere Gesicht der Frau. Jörgs Gejammer schwoll an.
    »Still!«, zischte Veit ihm zu. Gebannt musterte er die Frau. Einige Momente blieb sie reglos stehen und schaute in den dunkelblauen Abendhimmel, ehe sie sich wieder nach drinnen zurückzog. Kein Zweifel, sie war es. Die Frau, die ihm, Gernot und Wulf entkommen war. Die Frau, die der Kardinal suchte und für deren Ergreifung der Legat des Papstes einen reichen Lohn versprochen hatte. Sollte er diese Entdeckung für sich behalten und die Belohnung allein einstreichen?, überlegte der Rothaarige, entschied sich dann jedoch dagegen. Die Frau war ihnen schon einmal entkommen. Es war besser, wenn er die anderen beiden Schreiber einweihte. So konnten sie das Haus abwechselnd bewachen, bis er den Kardinal unterrichtet hatte.
    »Was hast du? Warum soll ich still sein? Ich … ich lasse mir von dir nicht den Mund verbieten«, lallte Jörg empört. Hastig wandte sich der Schreiber um, kniete sich neben den Handwerkersohn auf den Boden, fasste ihn an den Schultern und schüttelte ihn.
    »Hör zu«, sagte er leise und eindringlich. »Deine Mutter will sich an den Beginen rächen? Wenn ihr mich weiterhin in eurem Haus schlafen lasst und mich verköstigt, kann ich euch sicher helfen. Und zwar auf eine bessere Weise, als ihr euch je habt träumen lassen.«

    *

    Im schwachen gelblichen Schein eines Kienspans saß Donata neben der mit Asche abgedeckten Feuerstelle. Die meisten Frauen waren bereits zu Bett gegangen und sie wusste, dass sie nicht in der Küche sitzen und Licht verschwenden sollte. Aber nach den Tagen, die sie in der Kälte und in der Dunkelheit zugebracht hatte, genoss sie es, satt zu sein, die Wärme des abgedeckten Feuers zu spüren und ein Licht entzünden zu können. Für den Fall, dass eine der Beginen hereinkam und sie zur Rede stellte,

Weitere Kostenlose Bücher