Die Buchmalerin
hatte sie eine Spindel mit ungefärbter Wolle auf den Knien liegen. So konnte sie behaupten, einfach die Zeit vergessen zu haben.
Während Donata ihren Rücken enger gegen die Wand schmiegte, die noch etwas Wärme gespeichert hatte, fragte sie sich, wie lange sie wohl in der Sicherheit dieses Hauses bleiben konnte. Der vergangene Tag war gut verlaufen. Sie hatte die letzten Fäden durch die Litzen des Webstuhls gezogen und damit begonnen, die Wolle am Kettbaum festzuknoten. Im Lauf des nächsten Tages würde sie auch mit dieser Arbeit fertig sein und die Kette konnte aufgebäumt werden. Dann musste sie nur noch die Fäden am vorderen Schaft des Webstuhls befestigen. Anschließend konnte sie mit dem Weben beginnen.
Während sie über das weiche Wollvlies strich, das auf ihren Knien lag, fragte sie sich, wie weit sie wohl mit dem Gewebe kommen würde, ehe sie die Beginen verließ. Einige Finger oder sogar mehrere Hand breit? Sie hatte es nie sonderlich geschätzt zu weben. Aber schon seit Tagen strich der katzengleiche Dämon um sie und flüsterte ihr zu, dass es schön wäre, wenn sie längere Zeit an dem Stoff arbeiten könnte. Ja, und dass es vielleicht tatsächlich irgendwo eine Zuflucht für sie gäbe, einen Ort, an dem sie unbehelligt bleiben könnte.
Als die Haustür sich öffnete und Schritte und Flüstern in dem Vorraum erklangen, zuckte Donata erschrocken zusammen und drehte hastig ihre Spindel. Doch es waren nur Luitgard und Bilhildis, die den Ledervorhang beiseite schoben und die Küche betraten.
»Ich habe einen Lichtschein neben dem Vorhang gesehen und dachte, dass du vielleicht hier bist«, erklärte Bilhildis.
Die beiden Beginen zogen sich Schemel heran und setzten sich ebenfalls an den Rand der Feuerstelle. Angespannt forschte Donata in ihren Mienen. Nach der Abendmahlzeit war Bilhildis in die Kammer der Vorsteherin gegangen. Ob sie mit Luitgard über sie gesprochen hatte? Luitgards Gesicht lag im Schatten und Donata konnte seinen Ausdruck nicht deuten. Aber Bilhildis wirkte traurig.
»Du kannst nicht länger in unserem Haus bleiben. Du musst uns verlassen«, brach die Vorsteherin schließlich das Schweigen.
»Ja«, Donata nickte. Sie war seltsam ruhig. »Ich kann verstehen, dass Ihr mich nicht bei Euch haben wollt …«
»Es ist nicht so, wie du denkst.« Bilhildis legte ihr die Hand auf den Arm.
»Nein, du musst nicht gehen, weil wir niemand bei uns haben wollen, der der Ketzerei verdächtig ist«, Luitgard ergriff wieder das Wort. Ihre Stimme klang gelassen und sie schaute Donata offen an. »Es ist nur so, dass wir dich möglicherweise nicht schützen können. Gisbert, der Inquisitor, und ein päpstlicher Legat, Enzio, der Kardinal von Trient, werden sich in wenigen Tagen in Köln treffen …«
»Der Kardinal von Trient …?« Wieder glaubte Donata zu sehen, wie der Mann, dessen Antlitz dem einer römischen Statue glich, sein Messer in den Leib des Mönches stieß.
Unterdessen sprach Luitgard weiter: »Angeblich soll der päpstliche Legat Gisberts Inquisitionsprozesse überwachen. Aber ich fürchte, der Kardinal wird sich nur für die Mächtigen einsetzen.« Ihr Gesicht verdüsterte sich. »Ich habe mit der Äbtissin der Benediktinerinnen von Maria im Kapitol gesprochen. Sie ist bereit, dich für einige Zeit in ihrem Kloster zu verbergen und dir zu helfen, aus der Stadt zu entkommen. Möglicherweise kannst du auf einer der Ländereien des Klosters bleiben …«
»Benediktinerinnen, nein!« Entsetzt erhob sich Donata. Sobald sie auf ihren rechten Fuß trat, fuhr der Schmerz schneidend durch ihr Bein, aber sie zwang sich, ihn zu ignorieren.
»Du bist in dem Kloster sicher. Die Äbtissin schätzt die Inquisition nicht.«
»Nein …« Die Benediktinerinnen hatten sie schon einmal verraten und sie der Inquisition übergeben … Sie musste aus der Stadt fliehen, sobald die Tore geöffnet wurden. »Kann ich noch bis zum Morgen in Eurem Haus bleiben?«
»Gewiss …«, Luitgards Stimme klang überrascht.
Doch Bilhildis, die bisher geschwiegen hatte, begriff. »Damit bringst du dich um«, sagte sie ruhig, aber entschieden. »Geschwächt, wie du bist, und mit deinem verletzten Fuß kommst du nicht weit.«
»Ich kann nicht zu den Benediktinerinnen gehen. Ich muss die Stadt verlassen …« Es war besser, in der Kälte zu sterben, als Enzios Leuten in die Hände zu fallen. Selbst die Hölle erschien ihr weniger schrecklich.
»Bilhildis hat Recht«, mischte sich Luitgard ein. »In deinem Zustand
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