Die Buchmalerin
zu deinen Verwandten am Niederrhein gehen. Wenigstens so lange, bis sich zeigt, wie die Inquisition ihre Untersuchung führt.«
»Wenn du und die anderen Frauen euch der Inquisition stellen könnt, kann ich es auch. Ich lasse euch nicht im Stich!«
»Wir anderen sind nicht mit einer Gottesschau hervorgetreten und wir verfügen über keine Heilkräfte. Außerdem entstammen die meisten von uns Familien in der Stadt, die für uns eintreten können.«
»Ich bleibe hier«, erwiderte Bilhildis fest.
Donata betrachtete sie verstohlen. Auch wenn Bilhildis gelassen wirkte, hatte sie dennoch Angst. Das war deutlich zu spüren. Donata wünschte sich, Bilhildis hätte sie niemals im Schnee hinter der Kirche gefunden, ihr niemals das Bündel zurückgegeben. Aber wenn die junge Begine sie nicht gerettet hätte, wäre sie gestorben und ihre Seele müsste jetzt die Qualen der Hölle erdulden.
Luitgard wiederholte entschieden: »Du solltest die Stadt verlassen.«
Die junge Begine schüttelte stumm den Kopf.
»Bilhildis, wenn du zu deinen Verwandten gehst, werde ich zu den Benediktinerinnen gehen …« Donata hatte die Empfindung, dass ihre Stimme von sehr weit her kam.
»Das ist nicht recht, das kannst du nicht von mir verlangen«, wandte sich Bilhildis ihr zornig zu.
Die beiden Frauen musterten sich. Donata hielt dem Blick stand. »Dein Entschluss um meinen Entschluss … Es ist ein gerechter Tausch!«
»Nein, mein Platz ist hier«, erwiderte Bilhildis halsstarrig.
Luitgard schaute von einer zu anderen. »Bilhildis, du hast mir, als du in dieses Haus gekommen bist, den Gehorsam versprochen. Ich nehme für dich Donatas Angebot an. Wenn sie verspricht, zu den Benediktinerinnen zu gehen, befehle ich dir, dass du die Stadt verlässt. Bleibt es dabei?«, forschend sah sie Donata an.
Diese zögerte einen Moment, nickte dann jedoch. »Ja.«
»Bilhildis?«
Die junge Frau schien sich in sich zurückzuziehen. Schließlich entgegnete aber auch sie: »Du hast Recht, ich habe dir den Gehorsam versprochen. Ich werde zu meinen Verwandten gehen.«
»Gut«, ein schwaches Lächeln erschien auf Luitgards ernstem Gesicht. »Bilhildis, du begleitest Donata morgen vor Tagesanbruch zu den Benediktinerinnen. Aber jetzt sollten wir alle die Nacht nutzen und versuchen, eine Weile zu schlafen.«
*
Gernot, der Schreiber, stampfte in den Schnee, um seine eisig kalten Füße warm zu bekommen. Obwohl er seinen Mantel eng um sich geschlungen hatte, fror er erbärmlich und das Bier brannte sauer in seinem Magen. Während er – er konnte nicht sagen, zum wievielten Mal – die enge Gasse auf und ab ging, blickte er immer wieder zu dem schmalen Fachwerkhaus hinüber, das Veit ihm bezeichnet hatte. Es sah dem Rothaarigen ähnlich, dass dieser nicht in der Nacht Wache hielt, dachte Gernot bitter. Veit würde ihn am Morgen ablösen. Sicher, auch am Tag würde die Kälte klirrend sein und Veit würde nicht nur Vergnügen daran haben, das Haus der Beginen zu beobachten. Aber wenigstens herrschte am Tag ein Kommen und Gehen auf der Gasse. Es gab etwas zu sehen, und man fror nicht und langweilte sich gleichzeitig zu Tode. Und man musste sich nicht vor Nachtwächtern in Acht nehmen.
Seit Einbruch der Dunkelheit waren kaum noch Menschen auf der Gasse unterwegs. Einige Männer, die die Tracht von Handwerkern trugen, waren nach Hause gekommen und irgendwann, als er noch nicht lange seine Wache angetreten hatte, waren zwei Frauen in das Haus der Beginen gegangen. Verlassen hatte es seitdem niemand.
Gernot blickte zu dem klaren Himmel auf, an dem der Mond hoch und silbrig stand, und seufzte. Es würde eine sehr lange und kalte Nacht werden. Aber wenn Veit sich nicht getäuscht hatte – was er, Gernot, nicht glaubte – und sich diese Frau wirklich bei den Beginen aufhielt, dann lohnte es sich zu frieren. Eine Belohnung durch den Kardinal war ihnen sicher. Außerdem hatten Veit, Wulf und er ohnehin noch eine Rechnung mit der Frau offen. Gernot stellte sich in den Schatten schräg gegenüber dem Haus der Beginen, rieb seine klammen Hände und ließ den Eingang nicht aus den Augen.
*
Einige Zeit vor Tagesanbruch zog Donata in dem dunklen Verschlag ihren Mantel über und hängte sich ihr Bündel um. Vor kurzem hatte sie gehört, wie Bilhildis den Schlafsaal der Beginen verlassen hatte und leise die hölzerne Wendeltreppe hinabgestiegen war, und sie hatte auch gehört, wie Luitgard aus ihrer Kammer getreten war. In den vergangenen Stunden, während Donata
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