Die Bucht der schwarzen Perlen
Frau muß sorgen für Mann, bis er nicht mehr da ist.«
Ron schluckte den Kloß hinunter, der ihm plötzlich im Hals saß und das Atmen schwer machte. Tama'Olus Logik beschämte ihn, ihren traurigen Blick konnte er einfach nicht ertragen.
»Willst du mitfahren?« fragte er.
»'Ikai.«
»Vielleicht schaffen wir es zu zweit besser, mein Liebling. Vielleicht wird es gar keine Höllenfahrt. Vielleicht kommen wir nach zwei oder drei Tagen auf eine Seefahrtstraße. Eines der großen Schiffe, deren Ausmaße du dir gar nicht vorstellen kannst, nimmt uns an Bord und bringt uns irgendwo an Land, wo wir mit einem Flugzeug sofort nach Tahiti fliegen können. Vielleicht haben wir dieses Glück. Tama, wir fahren zusammen. Verstehst du das?«
Sie schüttelte den Kopf, stach mit der Messerspitze in eine Kartoffel, um festzustellen, ob sie schon gar war, und spielte dann mit den Holzscheiten. Sie legte sie übereinander, verteilte sie dann nebeneinander, schichtete sie auf und warf sie mit einer Handbewegung sofort wieder zur Seite.
»Fleisch ist fertig«, sagte sie, als Ron ihr langes Haar durch seine Finger gleiten ließ. »Fisch muß noch zwei Tage trocknen, wenn du mitnehmen willst. Ist zwei Tage zu lang?«
»Tama, ob zwei, drei oder vier Tage – ich habe doch Zeit! Ich flüchte doch nicht von hier.« Er zog sie liebevoll an sich, umarmte sie und legte beide Hände um ihre Brüste. Wieder spürte er ihr innerliches Zittern, aber auch gleichzeitig eine stumme Abwehr, eine Starrheit, die ihn erschreckte. »Tama, ich liebe dich wie nichts auf dieser Welt.«
»Du hast schon einmal gesagt …«
»Ich sage es immer und immer wieder, jede Stunde, jede Minute, wenn du es willst.«
»Und gehst trotzdem weg …«
Sie begreift es nicht! Niemand begreift es! Wie soll man es auch verstehen? dachte er traurig und ließ Tama aufseufzend los. Wie kann man diesen Menschen hier erklären, daß sie auf Millionen sitzen, wo sie gar keine Millionen brauchen? Was bedeutet Geld für sie? Nichts! Die Natur und ihr eigener Fleiß geben ihnen alles, was sie benötigen. Sie leben – das ist ihnen genug. Sie werden geboren, schuften für ihr Weiterleben und sterben, und sie sind glücklich so, wie es ist. Geboren werden, für die täglichen Bedürfnisse arbeiten – und dann sterben … ein ewiger Kreislauf, nicht anders als in der Natur um sie herum, wie Bäume, Pflanzen und Blumen.
Was kümmert es sie, daß Menschen zum Mond fliegen können, daß vielleicht einmal ein Atomblitz auch ihre unschuldige Insel verbrennt? Oder – greifen wir gar nicht so hoch – was haben sie verpaßt, daß sie weder die Uhr kennen noch die einfachsten Dinge, ohne die wir glauben, nicht auskommen zu können: eine Schachtel Zigaretten, Haarspray, einen Kugelschreiber, einen Fotoapparat, eine Flasche Bier, die Zeitung, ein Fernsehgerät? Was brauchen sie das alles? Sie sind dennoch glücklich!
Ron erhob sich von der Erde und sah, wie Tama'Olu zu ihm aufsah. Jetzt lag Angst in ihrem Blick, ein stummer Aufschrei.
»Es ist alles so verrückt«, stieß er gepreßt hervor. »Was hat Gott sich bloß dabei gedacht, als er den Menschen schuf? Aber nun gibt es uns, und wir müssen uns ertragen.«
Er ging in die Hütte, warf sich auf das Bett und starrte in die Dunkelheit.
Draußen hörte er Tama wirtschaften. Sie goß die Kartoffeln ab, legte neue Scheite auf das Feuer, deckte es dann ab, damit die Glut bis zum nächsten Morgen hielt und wieder entfacht werden konnte.
Er hörte, wie sie in die Hütte kam, in der Dunkelheit herumtappte, sich dann neben ihn legte. Er fühlte ihren nackten, warmen, glatten Körper, der sich an ihn schmiegte, hörte ihre leise, zärtliche Stimme und spürte ihren Atem in seiner Halsbeuge.
»Du bist Ovaku, mein Mann«, sagte sie. »Ich dich werde nie vergessen …«
Warum fahre ich weg? dachte er. Wo kann ich noch mehr Glück finden? Warum jage ich Millionen nach?
Ja – warum?
Er gab sich keine Antwort. Er seufzte leise, als Tama auf ihn glitt und ihn leidenschaftlich umarmte.
Am nächsten Tag begann Ron, sein Schlauchboot umzurüsten. Mit Hilfe der drei getauften Alten zimmerte er einen festen Sitz aus Holz für das Boot und einen Holzmast, an dem er mit Palmschnüren ein geflochtenes Segel befestigte. Den Mast verklotzte er in einem dicken Holzblock auf dem Gummiboden – eine wacklige Konstruktion, die ein kräftiger Windstoß gewiß umblasen würde.
Drei Tage arbeiteten sie an dem Schlauchboot, umringt von den Kindern, die
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