Die Bucht der schwarzen Perlen
die amerikanischen Siedler, die Priester während der Inquisition und vor den Scheiterhaufen der brennenden Hexen und Ketzer – und die Konstrukteure der Atomwaffen. Sie alle wollten nur das Beste. Ron, was ist los mit dir? Haben dich die schwarzen Perlen bereits korrumpiert? Haben die Millionen, die dort im Meer liegen, dich ebenso kaltschnäuzig gemacht wie all jene, vor denen du geflohen bist?
Er hatte sich vorgebeugt, hatte Tama'Olu auf die Augen geküßt, und dann waren sie zurückgekehrt zu ihrer Hütte, im Nylonbeutel vielleicht die wertvollste Perle, die jemals gefunden wurde.
Sie aßen Süßkartoffeln und einen Brei aus grünen, kleingehackten Blättern, die wie Spinat schmeckten, tranken den Saft ausgepreßter Früchte und knabberten an einem Stück Fladenbrot.
Dann saßen sie draußen auf der Bank vor der Hütte, warteten auf das den Himmel in Flammen hüllende Untergehen der Sonne, hatten die Arme umeinander gelegt und waren glücklich.
Von Geld und Perlen sprachen sie nicht mehr, und Ron verzichtete darauf, Tama'Olu zu erklären, warum eines Tages alles anders auf der Insel werden würde. Er spürte, wie maßlos sie ihn liebte, und das war wertvoller als alle Gedanken an die Zukunft.
Der Tag kam zwangsläufig, an dem Ron Edwards sich damit beschäftigen mußte, einen Weg aus dem Paradies zurück in die laute Welt zu finden. Er hatte nun einhundertzweiundsiebzig schwarze Perlen aus dem Meer geholt, eine schöner als die andere. Hinzu kam noch diese einmalig große, ebenmäßige, schwarze, mit einem Silberhauch überzogene Perle, deren Wert Ron nicht abschätzen konnte.
»Was nützt ein Sack voll Perlen, Liebling«, sagte er an diesem Tag zu Tama'Olu, »wenn man damit nur Murmeln spielen kann? Ahnst du überhaupt, was das hier wert ist?« Er klopfte gegen den Nylonbeutel, der auf seinem Schoß lag. »Davon kann ich einen Generator kaufen, und wir bekommen elektrisches Licht. Ein Funkgerät wäre auch nicht schlecht, dann hätten wir Verbindung zur Außenwelt. Ebenso ein seetüchtiges Motorboot, dann sind wir nicht mehr die Einsiedler von Tonu'Ata. Dann kann ich dich mitnehmen nach Nuku'alofa … wir können zu den Fidschi-Inseln fahren, zu den Cook-Inseln und noch weiter bis Papeete auf Tahiti oder nach Bora-Bora, der schönsten Insel der Welt. Du kannst dir Kleider kaufen, Schmuck, Parfüm, was du willst. Ich werde dir jeden Wunsch erfüllen können. Und ein richtiges festes Haus aus Steinen und Holzwänden werden wir bauen, ein Radio und einen Plattenspieler besitzen …«
»Was ist Generator? Was ist Plattenspieler? Warum, Ovaku?«
»Warum?« Ron starrte Tama'Olu nachdenklich an. »Ja, warum? Das ist ein Wort, auf das es keine oder Hunderte von Antworten gibt. Warum brauchen wir das alles hier im Paradies, wenn man es tausend Jahre lang nicht vermißt hat? Aber warum sollen wir es jetzt nicht haben, um unser Leben noch schöner zu machen? Verstehst du das?«
»'Ikai.« Sie sah ihn mit ihren großen schwarzen Augen an, ein Blick, in dem Traurigkeit, Erschrecken und Ratlosigkeit sich vermischten. »Du willst weg?« fragte sie leise.
»Ja.«
»Warum?«
»Ich muß nach Tahiti.«
»Was ist Tahiti?«
»Eine ganz große Insel … weit weg von hier. Ich glaube, fast zweitausend Kilometer. Aber sie ist der Hauptumschlagplatz für schwarze Perlen.«
»Was ist Kilometer?«
»Tama, wie soll ich dir das erklären?« Er legte den Nylonbeutel auf den Boden und ergriff ihre Hände. Erst da spürte er, daß Tama vor Erregung zitterte. Sie tat ihm unendlich leid. Trotzdem sagte er: »Ich muß nach Tahiti. Und wenn ich mit dem Schlauchboot fahre … einfach nach Westen. Irgend jemand wird mich schon auffischen, zu einer großen Insel und in eine Stadt bringen. Von dort geht es dann ohne Schwierigkeiten weiter.«
»Du weg?« fragte sie wieder mit ganz kleiner Stimme.
»Ja.«
»Du nix wiederkommen?«
»Aber ja, Tama. Ganz bestimmt. Ich komme wieder, so schnell ich kann.«
»Du nicht mehr lieben mich?«
»Mehr als je zuvor.« Er zog sie an sich, aber Tama versteifte sich. Sie stemmte die Hände gegen seine Brust, und als er sie auf den Mund küssen wollte, bog sie plötzlich den Kopf weit zurück.
»Nur deshalb will ich die Perlen ja verkaufen. Du wirst ein Leben wie eine Königin haben!« Er umarmte sie leidenschaftlich, und diesmal ließ sie ihn gewähren. »Alle hier auf der Insel werden reich sein. Sie werden nach Perlen tauchen, und ich verkaufe sie in Papeete. Aber ihr werdet das unbekannte
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