Die Bucht der schwarzen Perlen
neuen Gast kritisch, entschied, daß Mißtrauen hier wohl angebracht sei, holte den Schlüssel vom Haken und legte ihn vor Ron auf die Theke. Aber er bedeckte ihn mit der Hand.
»Wie lange bleiben Sie, Monsieur?« fragte er auf französisch. Ron antwortete auf englisch.
»Vielleicht zehn Tage.«
»Sehr gut, Sir.« Der Chefportier sprach auch ein hervorragendes Englisch. »Tahiti wird Ihnen gefallen. Ich rate Ihnen, Ausflüge nach Moorea und vor allem nach Bora-Bora zu machen. Ein Erlebnis, das versichere ich Ihnen.«
»Ich kenne beides.« Ron streckte die Hand aus. »Wenn ich den Schlüssel haben könnte …«
»Der Boy wird Ihr Gepäck gleich hinaufbringen.« Der Portier blickte suchend an Ron vorbei. »Sie haben Ihre Koffer noch im Taxi?«
»Nein.« Ron klopfte an den Nylonbeutel, der über seiner Schulter hing. »Das ist mein ganzes Gepäck.«
Also doch, dachte der Portier. Mein Riecher … Ich habe doch gleich gewußt, daß da etwas faul ist! Das ist kein Mann, der in unser Hotel paßt.
»Könnte ich eine Vorauszahlung für fünf Tage haben?« sagte er freundlich, aber wesentlich reservierter als zuvor.
»Seit wann ist das üblich?«
»Seit kurzem erst, Sir. Die Zahlungsmoral mancher Besucher hat sich geändert. Nicht zum besten – leider. Wir müssen deshalb bei uns unbekannten Gästen …«
»Sparen Sie sich diese unglaubwürdigen Erklärungen«, fiel ihm Ron ins Wort. »Ich weiß, daß ich nicht aussehe wie ein Graf.« Er griff in den unansehnlichen Nylonbeutel, holte ein Bündel Dollarscheine heraus, zählte fünfhundert Dollar ab und warf sie dem erstarrten und sichtlich betroffenen Portier auf die Theke. »Genügt das?«
»Sir … natürlich! Hier ist Ihr Schlüssel. Ich bitte um Verzeihung. Erste Etage … Page! Page!«
»Lassen Sie, ich finde das Zimmer schon allein. Bemühen Sie sich nicht mehr, als nötig ist.«
Er ging mit schnellen Schritten zum Lift, winkte dem Pagen zu, der zu ihm hinstürzte, und fuhr nach oben. Der Chefportier starrte auf die fünfhundert Dollar, schob die Noten dann zusammen und trug sie hinüber zur Kasse.
»Typisch für diese Amerikaner«, sagte er dabei. »Laufen rum wie die Vogelscheuchen und sind in Wahrheit Millionäre. Die haben alle einen Spleen.«
Die Suite, mit riesigen Fenstertüren und einem herrlichen Blick über Park und Meer, war unübertrefflich in ihrem Luxus: Ein Schlafraum, ein Salon, eine Diele, ein Badezimmer aus rosa-grün geflammtem Marmor, eine Barecke, in der nichts fehlte, vom Mixbecher bis zum Strohhalm, vom Pastis bis zum Wodka. In einem Wandregal standen einige Flaschen besten französischen Rotweins, Château Margaux bis zur Spitzenlage Château Petrus. Premier Grand Cru.
Ron ging zu der Fensteranlage, öffnete eine Tür und setzte sich dann in einen der dickgepolsterten und mit Seidenstoff bezogenen Rattansessel. Aus der Nylontasche holte er wieder die Dollarscheine heraus und warf sie auf die gläserne Tischplatte.
Noch vierhundert Dollar. Die eiserne Reserve schrumpfte immer mehr zusammen. Heim nach Deutschland kam er damit nicht mehr. Aber mit drei oder vier von seinen Perlen konnte er rund um die Welt fliegen.
Er holte sich das Telefonbuch von Papeete vom Schreibtisch des Salons und schlug die Seite mit den Namen und Adressen der Perlengroßhändler auf. Zum Teil auf französisch – commerce des perles – zum Teil auf englisch – pearls wholesale trade – waren es zwei ganze Spalten voll.
Wen nehme ich? dachte er. Wer kann mir meine 172 schwarzen Perlen bezahlen? Wer ist der größte Perlenhändler auf Tahiti? Der größte ist meistens aber auch der härteste, ein Typ der die Preise drückt. Beim Einkauf geht es ihnen um Cents, beim Verkauf gibt es keine Grenzen. Wer ist von diesen allen im Telefonbuch der richtige?
Ron griff wieder zu seiner alten Methode, mit der er bisher gut durch die Welt gekommen war. Er spielte Vabanque. Er schloß die Augen und legte den Zeigefinger auf einen bestimmten Punkt. Als er die Augen öffnete, zeigte sein Fingernagel auf einen Charles Bouchet, Rue de Liberté, Nummer 11.
»Dann wollen wir mal!« sagte Ron laut zu sich selbst. »Monsieur Bouchet, Sie werden die schönsten schwarzen Perlen bekommen, die Sie je in Ihrem Leben gesehen haben.«
Er wählte die Nummer von Bouchet; wie meistens in Firmen meldete sich auch hier eine Frauenstimme.
»Ich möchte Mr. Bouchet sprechen«, sagte Ron auf englisch. Sein Französisch war nicht so gut, er verstand es zwar, aber zum Antworten fehlten
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