Die Bucht der schwarzen Perlen
Jacque Ramage.«
»Sehr gut. Fahren Sie mich dorthin.«
Monsieur Ramage bediente Ron eigenhändig, als er erfuhr, daß der Kunde Amerikaner war. Für 360 Dollar kaufte Ron einen weißen Anzug aus einem luftdurchlässigen dünnen Kammgarn, durchwirkt mit 30 Prozent Seide. Er paßte auf Anhieb, es war keine Änderung nötig, und Ron ließ ihn gleich an. Dann kaufte er ein seidenes Oberhemd, cognacfarben, und eine Krawatte mit gelben und roten Streifen. Seine alten Kleider ließ er sich einpacken und bummelte über die Hafenpromenade. Später betrat er noch ein Schuhgeschäft, das billiger war als ›Pour vous, Monsieur‹, und suchte sich dort ein Paar weiße, leichte, aus Lederriemchen geflochtene Schuhe aus. Dazu leistete er sich weiße Strümpfe und sagte draußen auf der Straße zu sich: »Ron, nun bist du pleite. Du hast noch genau 67 Dollar und vierundfünfzig Cents. Vabanque.«
Zurückgekehrt ins Hotel, bestellte er ein Mittagessen für zwei Personen, sechs Gänge, von denen ihn der in Chablis pochierte Seewolf und das Mango-Sorbet am meisten interessierten. Aus dem Regal neben der Hausbar suchte er für den Fisch einen trockenen Saumur 1982 aus, stellte ihn kühl und entschied sich für den Fleischgang für einen roten 1983er Château Trotanoy, einen Grand Vin Pomeral.
Pünktlich klopfte es an die Tür der Suite – Ron warf einen Blick auf die Uhr, genau 12 Uhr 30 –, und Monsieur Charles Bouchet betrat die Diele. Hinter ihm rollte ein Garçon den Wagen mit einer Auswahl an Apéritifs herein.
Bouchet war ein mittelgroßer, sehr gepflegt wirkender Mann um die Fünfzig, hatte einen deutlichen Bauchansatz und eine von winzigen roten Äderchen durchzogene Gesichtshaut, was ihn als einen guten Rotweinkenner auswies. Wenn er sprach, begleitete er seine Worte mit großen Gesten.
Einen kurzen Augenblick musterten sich Ron und Bouchet und beschlossen, jeder für sich, vorsichtig zu sein. Er ist ein ganz gewiefter Geschäftsmann, dachte Ron, und Bouchet dachte zur selben Sekunde: Er ist ganz der Typ eines Abenteurers. Daran ändert auch der Seidenanzug nichts.
»Ich begrüße Sie, Monsieur Bouchet!« sagte Ron höflich, trat einen Schritt vor und ergriff eine fleischige, aber kräftige Hand. »Haben Sie auch einen solchen Hunger wie ich? Den ganzen Vormittag bin ich durch Papeete gestrolcht und habe mir die Auslagen der Juweliere angesehen. Interessant. Man bietet schöne weiße oder rosa Perlen an, sehr gute graue, silbergraue und dunkelgraue, aber Perlen von einer richtigen tiefschwarzen Farbe sieht man kaum. Und wenn, dann sind sie saumäßig teuer, trotz einer viel minderen Qualität als meine Perlen. Was nehmen Sie als Apéritif, Monsieur Bouchet?«
»Sie werden sagen: Das ist Gift, aber ich mag ihn nun mal: Absinth.«
»Damit hat sich Toulouse-Lautrec zu Tode gesoffen.« Ron nahm die Absinthflasche aus dem Servierwagen, goß ein Glas voll und wählte für sich selbst einen harmlosen weißen Picon. Vorsicht, dachte er. Einen klaren Kopf behalten. Du bist keinen Alkohol mehr gewöhnt. Bouchet aber sieht ganz danach aus, als könne er dich stehend unter den Tisch trinken.
Bouchet schien das unbewußt zu bestätigen. Er goß den Absinth in sich hinein, als sei es Wasser mit Anisgeschmack. Danach stieß er verhalten auf, sagte »Pardon« und setzte sich in einen der Rattansessel.
»Ich bin neugierig«, begann er. »Um ganz ehrlich zu sein: Ich platze vor Neugier. Und eins sage ich Ihnen gleich: 258.000 Dollar für 172 schwarze Perlen – das ist eine Irrsinnssumme! Das vergessen Sie mal, Mister Edwards. Das ist allenfalls ein Endverkaufspreis. Oder wollen Sie sich an die Straßenecke stellen und rufen: ›Schwarze Perlen! Wer kauft schwarze Perlen, das Stück nur 1.500 Dollar? Selbst aus dem Meer geholte Perlen mit Echtheitsgarantie.‹ Das wäre kein Job für Sie.«
»Ich stelle fest: Sie haben Humor.« Ron griff in die Tasche seines weißen Anzugs, holte eine seiner Perlen hervor und legte sie vor Bouchet auf den Tisch. »Jetzt zerplatzt Ihr Sarkasmus.«
Bouchet starrte erst die Perle, dann Ron an. Wortlos holte er aus seinem schweinsledernen Aktenkoffer ein Gerät heraus, das aussah wie ein kleiner Diamantbetrachter, griff nach der Perle, spannte sie in zwei Klammern ein und knipste dann die Beleuchtung an. Ein heller, konzentrierter Lichtstrahl durchschnitt die Perle und warf, einem Röntgenbild gleich, das Innere der Perle gegen eine kleine Mattscheibe. Bouchet betrachtete durch ein Mikroskop-Okular
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