Die Bucht der schwarzen Perlen
das Bild, das sich ihm bot. Es dauerte ein paar Sekunden, dann blickte er zu Ron auf.
»Es stimmt. Eine naturgewachsene Perle. Kein Zuchtkern. Sie ist wirklich echt.«
»Haben Sie daran gezweifelt, Monsieur Bouchet?«
»Ich will ehrlich sein: ja! Eine so ebenmäßige Perle mit einem solchen schwarzen Lüster ist selten.«
»Ich habe Ihnen zur Einstimmung die schlechteste von meinen Perlen vorgelegt.«
»Das ist nicht wahr!«
»Bitte.« Ron griff wieder in die Rocktasche und legte drei andere Perlen auf den Tisch. Größer, glänzender … zwei vollkommen rund, eine birnenförmig.
Bouchet rührte sie nicht an. »Noch einen Absinth, bitte«, sagte er nun mit rauher Stimme. Und erst als er diesen getrunken hatte, schob er mit dem Fingernagel seines rechten Zeigefingers die Perlen über die Tischplatte hin und her. »Und davon haben sie 172 Stück?« fragte er.
»Zur Zeit. Ich könnte Ihnen im Laufe eines Jahres aber noch mehr liefern.«
»Sie haben eine Muschelbank an einer unserer Inseln hier entdeckt? Wissen Sie, daß die französischen Behörden Ihnen ungeheure Schwierigkeiten machen können? Wenn sie von Ihrem Perlengarten erfahren, haben Sie keine ruhige Minute mehr. Vor allem die Steuer wird hinter Ihnen her sein. Das Finanzamt ist eine Brutstätte für Henkersknechte. Deshalb werden wir ein Geschäft ohne Rechnung machen müssen – wenn wir überhaupt ins Geschäft kommen. Und Schwarzgeld drückt den Preis, das ist Ihnen doch klar, nicht wahr?«
»Ich ahnte, daß Sie ein harter Partner sein würden, Monsieur Bouchet.«
»Aber ein zuverlässiger, und das ist mehr wert als ein paar Dollar weniger im Einkauf.«
»Darüber reden wir noch.« Ron drückte auf den Klingelknopf. Der Zimmerservice konnte mit dem Mittagessen kommen. »Erst sollten wir unsere Mägen beruhigen. Ich habe einen fabelhaften Saumur kaltgestellt, bestens passend zum Hummercocktail mit Ananas und Pistazien.«
»Sie sind ein großer Gourmet – wie ich. Nicht wahr, Ron?«
»Ich pflege eine umgekehrte Reihenfolge der Genußphilosophie: Ein gutes Essen – ein guter Wein – eine schöne Frau. Die meisten drehen es um. Wissen Sie, Charles, daß ein gutes Essen seltener ist als eine schöne Frau?«
»Wem sagen Sie das? Aber man kann es auch anders machen: Ein gutes Essen, ein guter Wein zusammen mit einer schönen Frau. Das ist das Nonplusultra des Genusses.«
Das Mittagessen zog sich bis 15 Uhr 40 hin … ein Franzose schlingt nicht wie ein Deutscher oder Engländer, er ißt nicht, um zu leben, sondern er lebt, um zu essen. Ein gutes Essen ist wie eine Andacht, man versinkt in sich selbst. Und wenn man dann auch noch einen Château Trotanoy 1983 trinkt, weiß man, warum Gott die Welt erschaffen hat.
Bouchet saß zufrieden und satt in seinem Sessel und trank zum abschließenden Mokka noch einen zwanzig Jahre alten Armagnac. Sein Gesicht war vor Zufriedenheit gerötet, und seine Augen blitzten.
»Und nun die Karten auf den Tisch, Ron!« forderte er schließlich. »Alle schwarze Schönheiten. Und dann duellieren wir uns um den Preis.«
»Voilà!« Ron ging zum Schreibtisch, holte seinen fürchterlichen Nylonbeutel heraus und schüttete die von Tama'Olu gerollten Palmblätter-Päckchen auf den Tisch. Bouchet betastete mit den Fingerspitzen diese ungewöhnliche Verpackung.
»Wo haben Sie das denn gelernt?« fragte er.
»Eine Erfindung meiner Frau.«
»Ach, Sie sind verheiratet?« Das klang ehrlich überrascht.
»Man kann es so nennen, Charles.«
»Verstehe.« Bouchet lächelte verschwörerisch. »Taucht sie auch?«
»Wir haben zusammen die Perlen aus dem Meer geholt … aber nicht hier in Französisch-Polynesien. Unsere Muscheln wachsen weit weg von hier.«
»Das gibt es nicht.« Bouchet öffnete das erste Päckchen. »Sie brauchen nicht zu lügen, Ron, ich verrate Sie nicht. Ich will ja das Geschäft machen, heute und weiterhin. Außer in diesem Archipel gibt es nirgendwo schwarze Perlen. Vielleicht noch an der arabischen Küste bei den Emiraten. Aber da ersticken jetzt auch die Perlmuscheln im Erdöl. Sagen Sie bloß nicht, Sie kämen aus Oman oder Abu Dabi …«
»Nein.«
»Dann haben Sie hier eine Muschelbank entdeckt! Etwas anderes ist einfach nicht möglich. Hätten Sie mir drei oder vier echte schwarze Perlen vorgelegt, die Ausbeute von einigen Jahren Taucherglück, dann könnte ich Ihnen – mit Vorbehalt – glauben … aber Sie scheinen ja die Perlen wie Ananas zu ernten.«
Bouchet packte weiter aus, sein Gesicht
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