Die Bucht der schwarzen Perlen
ihm die Vokabeln. Außerdem war seine Aussprache erbärmlich schlecht.
»Votre nom, s'il vous plaît?«
»Roger Edwards, Mademoiselle.«
»Und in welcher Angelegenheit?«
»Es geht um Perlen, was sonst.«
»Un moment, Monsieur.« Ron hörte ein Knacken in der Leitung. Es dauerte ein paar Sekunden, die Sekretärin schien zu melden, daß ein Mann, der englisch sprach, Monsieur zu sprechen wünsche, denn als es wieder knackte, war Charles Bouchet am Apparat und sagte: »Bonsoir, Mister Edwards. Sie haben nach mir verlangt?«
Bouchet sprach ein perfektes Englisch, ohne einen französischen Akzent. Ron vermutete, daß er in Eton oder Cambridge studiert hatte.
»Es geht um ein Geschäft, Monsieur Bouchet.«
»Sie wollen kaufen?«
»Genau das Gegenteil: Ich will verkaufen.«
»Da hat man Sie falsch beraten, Mister Edwards. Ich bin Großhändler. Für ein gutes Einzelstück kann ich Ihnen zwei, drei sehr seriöse Juweliere empfehlen, mit denen ich auch zusammenarbeite.«
»Ich habe 172 Perlen anzubieten … schwarze Perlen bester Qualität.«
Einen Augenblick war es ganz still am anderen Ende der Leitung, dann hörte Ron wieder Bouchets Stimme. Sie klang plötzlich etwas heller und kurzatmiger.
»Schwarze Perlen, sagen Sie? Aus welcher Zucht?«
»Aus keiner Zucht. Es sind echte Perlen, Naturperlen, nach denen ich selbst getaucht habe. Ich nehme an, auch Sie haben so etwas noch nicht gesehen.«
»Wer sind Sie?«
»Ich sagte es Ihnen doch schon: Ron Edwards.«
»Amerikaner?«
»So ist es. Hat das auf die Perlen eine Auswirkung?«
»Wie kommen Sie an die Perlen?«
»Aus dem Meer. Ich habe sie raufgeholt, wie ich schon sagte.«
»Und das soll ich Ihnen glauben?«
»Ja.«
»Wo?«
»Erlauben Sie, daß ich laut lache, Monsieur Bouchet. Verraten Sie mir auch Ihre Gewinnspanne?«
»Sie haben die Perlen bei sich?«
»Um den Hals.«
»Sie sind schon aufgezogen?« fragte der Großhändler schockiert.
»Das war bildlich gemeint, Monsieur. Es soll heißen, ich passe auf diesen Schatz auf wie auf mein Augenlicht. Außerdem wären diese Perlen viel zu schade für eine Kette, und ein solches Schmuckstück wäre fast unbezahlbar. Sie eignen sich mehr als Einzelstück in einem Ring, einer Brosche oder einem Solitäranhänger. Es sind Prachtstücke.«
»Wann können wir uns sehen, Mister Edwards?«
»Morgen zum Essen? Sagen wir gegen 12 Uhr 30.«
»Sehr gut. Ich kenne da ein vorzügliches Restaurant. Der Koch ist ein Schüler von Bocuse …«
»Ich erwarte Sie bei mir, Monsieur. Ich logiere im Tahiti Beach Hotel. Suite Nummer drei. Ich nehme an, diese Küche trifft auch Ihren Geschmack. Ich möchte mit den Perlen nur ungern das Haus verlassen, das verstehen Sie sicher.«
»Aber wo denken Sie hin, Mister Edwards. Sie sind hier nicht im Dschungel von New York.«
»Dennoch bin ich vorsichtig. Ach ja, da ist noch etwas.« Rons Stimme wurde härter, die sanfte Höflichkeit verlor sich. Von Anfang an soll dieser Bouchet wissen, mit wem er es zu tun hat, dachte er. »Sollten wir ins Geschäft kommen, dann verlange ich Barzahlung. Auf Dollarbasis.«
»Wie hoch schätzen Sie die Summe?«
»Darüber ist zu verhandeln. Ich habe 258.000 Dollar angesetzt.«
Schweigen. Entweder dachte Bouchet jetzt, er spräche mit einem Verrückten, oder es hatte ihm einfach die Rede verschlagen.
Ron klopfte an den Telefonhörer. »Hallo, sind Sie noch da, Monsieur?«
»Natürlich. Ich habe nur schnell einmal durchgerechnet. Bei 172 Perlen wären das pro Perle im Durchschnitt 1.500 Dollar. Soviel ist keine schwarze Perle im Einkauf wert. Auch keine echte!«
»Sie haben die Ware noch nicht gesehen, Monsieur Bouchet. Es bleibt also beim Essen?«
»Ich komme.« Ron hörte, wie Bouchet tief durchatmete. Eine Viertelmillion Dollar bar auf den Tisch ist schon etwas Ungewöhnliches. »Bis morgen, Mister Edwards. Ich bin tatsächlich gespannt auf die Perlen – und auf Sie.«
In dieser Nacht schlief Ron seit langer Zeit wieder einmal tief und ungestört. Natürlich fehlte ihm Tama'Olu, die Leere neben ihm, wenn er zur Seite tastete, war ungewohnt geworden, aber es war auch eine wirkliche Entspannung, bis zum Morgen durchschlafen zu können.
Nach einem exzellenten Frühstück, wie er es seit drei Jahren nicht mehr genossen hatte, stieg er in ein Taxi und sagte:
»Ich möchte zu dem besten Herrenausstatter von Tahiti.«
»Das ist das Geschäft ›Pour vous‹, Monsieur«, antwortete der Taxifahrer. »Der Geschäftsführer ist ein gewisser
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