Die Bucht der schwarzen Perlen
Hunderten Trauergästen, und auch Pandelli stand in der Kondolationsschlange und drückte der Witwe teilnehmend die Hand. Darin hatte er Übung – schon in Reggio di Calabria hatte Pandelli die Opfer der Mafia auf ihrem letzten Weg begleitet.
Zehn Tage nach dem rätselhaften Mord ließ sich Pandelli bei der Witwe melden. Zehn Tage zeugten von genug Pietät. Mrs. Joan Sycomore empfing den Gast in ihrem Salon und ließ Tee servieren. Pandelli bedankte sich artig, lobte das feine Aroma des Tees und kam dann schnell zur Sache.
»Der Tod Ihres Mannes hat uns alle zutiefst erschüttert«, sagte er und gab seiner Stimme einen mitfühlenden Klang. »Es muß ein Wahnsinniger gewesen sein! Ja, nur ein Wahnsinniger kann eine solch sinnlose Tat begehen. Ein Mann wie Randolph, bei allen beliebt, ein durch und durch sauberer Charakter – wo findet man so etwas noch?«
»Er war wirklich ein guter Mensch.« Joan unterdrückte ein Schluchzen. »Die Polizei ist jetzt der Überzeugung, daß er mit einem anderen verwechselt wurde. Von hinten sah er so vielen ähnlich.«
»Er wurde von vorn erschossen, wenn ich erinnern darf.« Pandelli räusperte sich. »Aber sprechen wir nicht mehr darüber, liebe Mrs. Sycomore. Ich kannte Randolph gut, sehr gut sogar. Ich bin Juwelier und habe viel von ihm bezogen. Vor allem Perlen. Nie hatte ich Reklamationen. Was Randolph verkaufte, dahinter stand er. Die Ehrlichkeit in Person.« Er machte eine kleine Kunstpause, ließ Joan noch einmal aufschluchzen und beugte sich dann zu ihr vor. »Wie wird es weitergehen ohne Randolph?«
»Ich weiß es noch nicht.«
»Sie haben keine Kinder, keinen Erben?«
»Keine Kinder. Nur eine Cousine von Randolph lebt noch in Texas. Sie ist zweiundsiebzig Jahre alt.«
»Die scheidet aus. Dann sind Sie, liebe Mrs. Sycomore, die Alleinerbin.«
»Ja … und ich verstehe nicht das geringste vom Geschäft. Ich war früher Tänzerin … nicht im Tingeltangel, o nein, bei der Oper. Primaballerina. Jean Benda hieß ich damals, vielleicht haben Sie den Namen schon mal gehört.«
»Bedaure, Madam, da lebte ich noch auf dem elterlichen Gut in Süditalien. Aber Sie müssen wunderbar gewesen auf der Bühne … als Sterbender Schwan oder als Giselle …«
»Sie lieben Ballett, Mr. Pandelli?«
»Mein Herz stockt, wenn ich diese Leichtigkeit, dieses Schweben auf der Bühne sehe, diese Anmut, diese getanzte Seele …«
»Sie sagen das wundervoll.« Joan Sycomore sah Pandelli mit strahlendem Blick an. Aber dann wurde sie plötzlich wieder ernst und traurig. »Ich habe keine Ahnung vom Schmuckgeschäft. Ich weiß wirklich nicht, wie es weitergehen soll. Ich habe mich nie in der Firma blicken lassen … und jetzt ruht alles auf meinen Schultern.«
Und da sagte Pandelli einen Satz, den er als den besten in seinem bisherigen Leben betrachtete: »Joan, lassen Sie mich Ihnen die Last abnehmen …«
»Wie wollen Sie das machen?« Mrs. Sycomore durchschaute noch nicht den gefährlichen Antrag. Sie sah Pandelli gerührt und geradezu liebevoll an und fand ihn immer sympathischer. »Erklären Sie mir das, bitte.«
»Die einfachste Lösung, Ihnen alle Probleme und Sorgen abzunehmen, wäre ein Verkauf des Unternehmens.«
»Ob das aber im Sinne von Randolph wäre …« Sie zögerte. »Er hing an seiner Firma.«
»Ich weiß. Aber mit ihm ging die Seele des Geschäftes dahin. Und nun ist es nötig, eine neue Seele zu finden.«
»Wie poetisch Sie das sagen! Wo aber soll ich diese Seele hernehmen?«
»Sie sitzt vor Ihnen, Madam.«
»Sie, Mr. Pandelli? Nein!«
»Warum nicht?«
»O Gott, ich bin ganz überwältigt, ich kann es noch gar nicht glauben.«
»Sie haben nein gesagt.«
»Das war nur ein Ausruf des Erstaunens. Verzeihen Sie.« Joan Sycomore wischte sich über die Augen. »Das Lebenswerk meines Mannes soll ich in andere Hände legen? Ein bedrückender Gedanke! Hinzu kommt, daß ich Sie erst seit einer Stunde kenne.« Sie seufzte auf. »Ach, es kommt alles so plötzlich.«
»Ich kannte Randolph seit vielen Jahren.« Pandelli faltete die Hände zusammen. Es sah aus, als bete er. »Und ich bin ein Mann spontaner Entschlüsse. Sie werden ein sorgenfreies Leben haben, Joan. Ich biete Ihnen 25.000 Dollar als Grundpreis und eine monatliche Rente von 3.000 Dollar auf Lebenszeit.«
»25.000 Dollar … mehr ist die Firma nicht wert?«
»Viel mehr.« Pandelli legte seine Rechte auf Joans Hand, als wolle er sie trösten. »Ich muß einmal ganz indiskret fragen, und es bleibt auch unter
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