Die Bucht der schwarzen Perlen
uns: Wie alt sind Sie?«
»Neunundvierzig.«
»Nehmen wir an, Sie leben noch dreißig Jahre … dann sind Sie neunundsiebzig, kein Alter für eine Frau wie Sie. Sie werden bestimmt viel älter … Also, bei neunundsiebzig Jahren kommen wir, bei 3.000 Dollar monatlich, auf die stolze Summe von 1.080.000 Dollar. Zuzüglich des Grundbetrages von 25.000 Dollar sind das 1.105.000 Dollar. Damit ist Ihre Firma dreimal bezahlt!«
»Wenn man das so sieht, Mr. Pandelli, haben Sie recht«, sagte Joan gedehnt.
»So muß man das sehen. Sie wollen doch recht lange leben, nicht wahr?«
»Wer will das nicht?«
»Ihnen wird es gelingen, Madam. Sie werden sich jede Pflege leisten können.«
»Und wenn ich neunzig werde?«
»Mein Risiko, Joan.« Pandelli lächelte charmant. »Ich möchte es Ihnen wünschen.«
Zwei Monate später verkaufte Joan Sycomore den Schmuck- und Perlengroßhandel an Alessandro Pandelli. Sogar der Notar gratulierte zu diesem Geschäft und sagte begeistert, es sei für Mrs. Sycomore fast wie eine Goldgrube, die nie versiege. Für diesen Enthusiasmus hatte er 5.000 Dollar Sonderhonorar von Pandelli bekommen, und so ein Nebenverdienst beflügelt natürlich jeden real denkenden Menschen.
Als erstes warf Pandelli alle alten Mitarbeiter Sycomores hinaus, stellte Bürger italienischer Abstammung ein, hielt eine interne Betriebsversammlung ab und legte dabei eine abgesägte Schrotflinte vor sich auf den Tisch. Die US-Italiener sahen ihn an, als vollziehe er eine heilige Handlung.
»Meine lieben Mitarbeiter«, erklärte Pandelli kurz, »jeder von euch weiß, was das bedeutet. Eure Väter haben euch sicherlich von Sizilien und Reggio di Calabria berichtet. Wenn jeder seine Pflicht tut, bleibt die Lupu im Schrank. Ihr bekommt einen guten Lohn, und ich verlange dafür gute Arbeit. Aber eins kann ich auf den Tod nicht leiden: Schwatzhaftigkeit. Wenn von hier aus heimlich Informationen nach draußen gelangen …« Er führte den Satz nicht zu Ende, sondern legte beide Hände auf das Gewehr, und damit war alles gesagt.
Es war eine der imposantesten Betriebsversammlungen, die je abgehalten worden waren. Die neuen Mitarbeiter gingen an ihre Arbeit mit dem Vorsatz der drei heiligen Affen: Nichts sehen, nichts hören, nichts sprechen.
Pandelli war so pietätvoll oder auch so vorsichtig, der Witwe Joan ein ganzes Jahr lang ihre 3.000 Dollar zu zahlen. Er sah das Opfer von 36.000 Dollar als notwendig an. Nach einem Jahr aber fuhr Mrs. Sycomore gegen eine Hauswand und verbrannte in ihrem Wagen. Der Brand war so umfassend, daß niemand mehr feststellen konnte, daß an den Hinterreifen manipuliert worden war. Bei einer gewissen Geschwindigkeit mußten sie platzen, das war wohlberechnet.
Wieder ging Pandelli im Trauerzug mit, warf einen Blumenstrauß auf Mrs. Sycomores Sarg, und da es niemanden zum Kondolieren gab, schüttelte Pandelli seine eigenen Hände.
Ausgerechnet der Notar war es, der wenig später einige böse Äußerungen machte – zu spät allerdings, der ausgebrannte Wagen war längst auf dem Schrottplatz und dort zu einem viereckigen Klumpen zusammengedrückt worden.
Aber Pandelli spürte, daß sich die Stimmung unter seinen Kunden rapide verschlechterte. Seine Verkäufer sangen Klagelieder, und einer berichtete sogar von einem Juwelier, der gesagt hatte: »Habt ihr keine roten Perlen? Früher hat man mit Stierblut sogar Häuser gestrichen. Vielleicht kann Pandelli mit Blut Perlen färben?«
Der clevere Italiener dachte an diesem Tag lange nach, bis in den frühen Morgen hinein, die ganze Nacht durch. Den ersten Gedanken, den Notar ebenso auf rätselhafte Art sterben zu lassen, verwarf er schnell. Es wäre zu auffällig gewesen. Drei Tote innerhalb kurzer Zeit aus der Umgebung von Pandelli – das konnte Schwierigkeiten geben.
Nach langem Nachdenken erinnerte er sich an Neapel, an Reggio di Calabria und Messina und kam zu dem Entschluß, wiederum auszuwandern. Das war unter den gegebenen Umständen das sicherste. Wohin, wurde ihm schnell klar. Im vergangenen Jahr hatte er durch seinen Großhandel gute Beziehungen zu den Perlenhändlern auf Tahiti angeknüpft und seither mit dem Gedanken gespielt, eine Niederlassung in Papeete zu gründen. Nun ging das alles rascher vonstatten als geplant.
Pandelli verkaufte den Großhandel an einen Interessenten, der sich recht geheimnisvoll gab, als Fachmann vorstellte und aus Los Angeles kam. Schon beim ersten informativen Gespräch war Pandelli überzeugt, daß eine
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