Die Bucht der schwarzen Perlen
ihm plötzlich über den Rücken kroch, ließ ihn erschaudern. Aber das sah man nicht.
8.
Pandelli war ein Mann, der nicht lange zögerte, sondern seine Entschlüsse rasch in die Tat umsetzte.
Er war vor zehn Jahren nach Tahiti gekommen, geboren wurde er in dem kleinen Ort Melito di Porte Salvo, ganz unten an der Stiefelspitze Italiens, der zur Region Reggio di Calabria gehörte. Melito di Porte Salvo war der südlichste Ort des italienischen Festlandes, und da es von dort nicht weit nach Messina auf Sizilien ist und auch Catania leicht und schnell erreicht werden kann, pflegte Pandelli schon in zarten Jünglingsjahren eine enge Verbindung zur Mafia.
Von dem Paten Messinas fast wie ein Sohn geliebt, kontrollierte er die Geschäftswelt bis hinauf nach Catanzaro. Nach dem Tode des Paten wurde er in die Streitigkeiten um dessen Nachfolge verwickelt, und man sagte ihm sechs Morde nach, die ihm aber keiner beweisen konnte. Als dann jedoch nicht der Pandelli-Clan, sondern die Familie Razzanetto trotz Verlustes von drei Söhnen den neuen Paten stellte, erkannte Pandelli, daß es ratsam sei, auszuwandern.
Er tauchte zuerst in Boston auf, zog dann nach New Orleans, um als dritte und letzte Station San Francisco zu wählen. Hier, in der schönsten Großstadt Amerikas, in der viel Lebensfreude herrschte und in der Blumenkinder, Homosexuelle, exzentrische Künstler und Touristen aus aller Welt sich wie zu Hause fühlen, mietete er auf der legendenumwobenen Fishermans's Warft, dieser bizarren Barackenstadt direkt an der weiten Bucht und mit Blick auf die Golden Gate Bridge, einen Laden. Er hing ein Schild über die Haustür, nannte sich Juwelier und wartete auf die unwissenden Touristen, die 333er Gold für 756er kauften, Brillanten mit Piqué als lupenrein ansahen und sich Perlen der schlechtesten Qualität, nur mit einem millimeterdünnen Lüster überzogen, während der Kern aus Perlmutt bestand, als hochwertige Ware andrehen ließen.
Pandelli verstand es, vor allem der Damenwelt überzeugend zu erklären, daß Perlen auf der nackten Haut getragen werden müßten – das Körperfett gebe ihnen den geheimnisvollen Glanz. »An Ihrem Hals werden die Perlen regelrecht erblühen«, war ein Satz, der immer zog. Welche Frau, vor allem ab einem gewissen mittleren Alter, mochte da widerstehen? Am leichtesten hereinzulegen waren die Deutschen, die Nordländer und die Amerikaner der Weststaaten. Bei den Franzosen mußte man sich mehr Mühe geben, und wenn Japaner seinen Laden betraten, ließ er die billigen Perlen in ihren gläsernen Schaukästen, griff zu den Schubladen unter der Theke und bot nur die Qualitätsware an.
Erstaunlicherweise kümmerten sich die Japaner erst gar nicht um die Perlenschnüre in den Glaskästen, sie schienen einen Blick dafür zu haben. Überhaupt staunte Pandelli immer wieder, daß Japaner bei ihm Perlen kauften, wo sie doch ihren Mikimoto, den König der Perlenzucht hatten – bis er viel später erfuhr, daß die Japaner oft bessere Perlen zu niedrigeren Preisen im Ausland kaufen konnten.
So kam Pandelli zwangsläufig mit den Großhändlern zusammen, die ihre Verkäufer in der Welt herumschickten, ihre Lederkoffer aufklappten und die neuesten Erwerbungen vorlegten. Da er kein dummer Mensch war und bestens mafiageschult, erkannte er bald seine Chancen. Er beobachtete eingehend den Großhandel, studierte einige Fachbücher über Perlen und entdeckte die erregende Vielfalt, damit Geld zu verdienen. Nur eins störte ihn: Um in den Großhandel einzusteigen, brauchte man ein ansehnliches Grundkapital.
Pandelli erinnerte sich an die schöne Zeit in Reggio di Calabria, suchte aus der Liste der Großhändler den kleinsten aus, zögerte nicht lange und beschloß, sich mit Randolph Sycomore zu unterhalten.
Es mußte eine einseitige Aussprache gewesen sein … eines Morgens fand man Sycomore mit einem sauberen Herzschuß in einem Wäldchen in der Nähe des Golfplatzes, auf dem er dreimal die Woche spielte, und alle Untersuchungen der Mordkommission von San Francisco liefen ins Leere. Es gab kein Motiv, weder Raub – auf einem Golfplatz wird nicht geraubt, außerdem hatte Sycomore Brieftasche und Geldbörse unversehrt bei sich – noch ein Eifersuchtsdrama. Es gab auch keinen Gläubiger, dem Sycomore Geld hätte schulden können, und Feinde hatte er auch nicht, schon gar nicht solche, die ihm ins Herz schießen wollten. Der Mord blieb ein großes Rätsel. Man begrub Randolph Sycomore unter Anteilnahme von
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