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Die Bucht der schwarzen Perlen

Die Bucht der schwarzen Perlen

Titel: Die Bucht der schwarzen Perlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Muskelberg gewesen wäre. Er war nicht ganz so groß wie Ron, und in sein rötlich-braunes Haar mischten sich schon einige weiße Fäden. So Mitte vierzig wird er sein, dachte Ron. Nicht älter. Die paar weißen Haare haben keine Bedeutung.
    Am auffälligsten war sein Mund: Normalerweise hatte er volle, etwas wulstige Lippen, aber sie konnten auch schmal wie ein Strich werden, ein scharfer Schnitt in dem runden Gesicht.
    »Sind Sie verheiratet?« fragte Ron.
    »Sehe ich so aus?« Dr. Rudeck lächelte breit. »Warum fragen Sie?«
    »Ich hätte gern gewußt, ob Sie bei Ihrer Frau auch so rüde sein können wie gegenüber Tama'Olu. Statt ihr Mut zu machen, nehmen Sie ihr noch jede Hoffnung.«
    »Das ist nur eine Vorbereitung auf das Mögliche – ich möchte fast sagen Unvermeidliche.« Dr. Rudeck setzte sich auf das Bett. Erst jetzt ließ die Anspannung nach, sah man seine Müdigkeit. Er hatte mehr als drei Stunden operiert, praktisch auf sich allein gestellt. Willmore hatte zwar die Narkose und den Kreislauf überwacht, ein paarmal Klammern gesetzt und Blut, Eiter und den Erguß abgesaugt, aber die Operation hatte Dr. Rudeck ausgeführt. Er spürte die Erschöpfung und war wütend darüber. »Jetzt hätte ich Appetit auf einen Kognak und ein kaltes Bier«, sagte er. »Aber Sie haben ja hier nur Kokosmilch.«
    »Irrtum, Doktor. Auf meinem Schiff habe ich zwei Kisten mit Kognak und fünf Kisten mit Dosenbier. Pilsener aus Nuku'alofa.«
    »Dafür ziehe ich durch Urwald und Wüste.« Jack Willmore rieb sich die Hände. »Sagen Sie mir, wo Sie's auf der Yacht versteckt haben. Ich hole es rüber.«
    »In der Pantry ist ein großer Kühlschrank. Der ist voll mit Bier. Kognak steht im Salon im linken Glasschrank. Da finden Sie auch Gläser.«
    »Ich sause ab wie ein Sprinter!« Willmore lachte und rannte hinaus. Aber sofort kam er wieder zurück und zeigte mit ausgestrecktem Arm nach draußen. »Die belagern uns! Sitzen in einem Kreis rund ums Haus und machen Gesichter, als wollten sie gleich auf den Kriegspfad gehen. Die meisten Männer haben Speere in der Hand und Beile aus geschliffenen Steinen.«
    »Sie warten darauf, daß Tápana wieder gesund wird.« Ron ging vom Tisch zur Tür und blickte hinaus. Die Männer standen hinter den sitzenden Frauen und Kindern und starrten auf das Haus. Tama'Olus Brüder wachten neben der Tür. Der federgeschmückte und bizarr bemalte Medizinmann hockte auf der Bank. Er sprang wie ein Raubtier herunter, als er Ron aus der Hütte kommen sah.
    »Fatahefi lebt!« rief Ron auf tongalesisch. »Geht zurück ins Dorf.«
    Niemand rührte sich, nur der Medizinmann begann, wieder mit seiner steingefüllten Kokosnuß zu rasseln.
    Tama'Olus Lieblingsbruder Fai'fa drehte sich zu Ron um. »Wir wollen Fatahefi sehen!« erklärte er mit harter, entschlossener Stimme.
    »'Ikai!« Ron schüttelte den Kopf. »Er schläft. Alles ist gut.«
    »Er lügt!« schrie der Medizinmann von der Bank her. »Fatahefi lebt nicht mehr. Die Fremden haben ihn getötet! Der Gott der Blitze hat ihn geholt! Tötet sie alle, die Fremden, tötet sie!«
    »Komm mit, Fai'fa.« Ron wies ins Innere der Hütte. »Sieh deinen Vater an. Er lebt. Es wird alles gut werden.«
    Das war eine maßlose Übertreibung. Noch lebte Tápana zwar, aber keiner wußte, wie lange noch. Ron ging es jetzt nur darum, daß die Belagerung seiner Hütte aufgelöst wurde, Willmore hinüber zur Yacht waten und für Dr. Rudeck Bier und Kognak holten konnte. Wenn Tápana stirbt, müssen wir das geheimhalten, dachte er gleichzeitig. Es darf so lange nicht bekannt werden, bis Dr. Rudeck und Willmore mit dem Hubschrauber in der Luft sind.
    Es war durchaus möglich, daß die drei Brüder Tama'Olus sie aufspießten … sie hatten ihrem Vater den Bauch aufgeschnitten und ihn damit ermordet. Es würde unmöglich sein, ihnen die Tatsachen zu erklären. Wie kann man einen Menschen aufschneiden, ohne daß er stirbt?
    Fai'fa betrat die Hütte, ging langsam an den Tisch und sah seinen Vater an. Der breite Verband um seinen Leib war etwas Neues für Fai'fa. Auch die Überreste der Operation in den Eimern erregten seine Neugier. Er starrte auf das Gemisch aus Blut, Eiter und Erguß und begriff, daß die Fremden das alles aus dem Bauch seines Vaters geholt hatten. Er umklammerte seinen Speer, duckte sich wie zu einem Sprung, als Dr. Rudeck an den Tisch trat, und war offensichtlich bereit, zuzustoßen.
    Ron hielt den Atem an. Es wird zu einem Gemetzel kommen, durchfuhr es ihn.

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