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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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drei Mädchen, die noch zu haben waren, hockten beieinander unter der ausladenden Krone des Häuptlingsbaums. Auf den Ästen saßen jene zwei, die Rendapu gewählt hatte. Ob sie heute Nacht ihre Jungfräulichkeit verloren hatten? Schön war es für sie bestimmt nicht gewesen. Aber vielleicht war es das nie. Zaghaft winkte Amely dem traurig blickenden Mädchen. Ein ganz klein wenig erhellte sich sein Gesicht.
    Auch Tiacca sah missmutig drein. Vielleicht war es für Frauen nicht üblich, sich an einer Jagd zu beteiligen, die der Brautwerbung diente, und sie ärgerte sich. Sie erhob sich von ihrer Arbeit und kam auf Amely zu. Drohend fiel der Schatten der geschmeidigen Jägerin auf sie. Plötzlich schnappte sie nach Amelys Handgelenk und zerrte sie auf die Füße. Diese Frau besaß eine erstaunliche Kraft! Amely stolperte in den Kreis der Frauen, vor die Häuptlingsfrau. Die stemmte sich hoch, schimpfte und stritt mit Tiacca. Worum es auch ging, die Jägerin schien die besseren Argumente zu haben. Yami nickte langsam, wobei sie Amely von Kopf bis Fuß musterte. Dann blickten alle in Richtung des Häuptlingsbaums. Amely drehte sich um. Rendapu stand oben vor seiner Hütte. Offenbar hatte er alles mitangehört. Auch er nickte.
    Amelys Herz schlug.
Tiacca hat nur gewartet, bis Ruben fort ist. Und jetzt rösten sie mich über dem Feuer.
    Yami wogte ins Frauenhaus und kehrte mit jenem Beutel zurück, den sie tags zuvor den Mädchen gebracht hatte. Was immer darin war, es brachte die Frauen und Kinder in Aufregung. Alle scharten sich um Yami, die vor Amely trat und ihr mit Gesten deutlich machte, dass sie die Hand in den Beutel stecken solle.
    Verzweifelt blickte Amely zu Rubens Hütte. Ihr Aufenthaltsort am Pfosten kam ihr plötzlich nicht mehr so schlimm vor.
    Durfte sie ablehnen? Was geschähe dann?
    «Ach was», sagte sie laut und nahm preußische Haltung vor der Häuptlingsfrau an. Die jungen Mädchen hatten nicht gezögert; wie peinlich wäre es, wenn eine erwachsene Frau sich zierte und zitterte? Ein Beutel mit irgendetwas darin, wahrscheinlich eine Spinne oder sonst ein furchterregend großes, aber sicherlich nicht giftiges Insekt – das war zu schaffen. Also presste sie die Augen fest zusammen und schob die Hand in den aufgehaltenen Beutel.
    Sie fasste in eine warme Masse, durchaus nicht unangenehm. Vielleicht war das Berühren ein Tabu, und die Mutprobe bestand darin, es zu durchbrechen. Amely lächelte. Dann waren die Frauen dumm, dass sie glaubten, es könne ihr etwas ausmachen. Sie bewegte die Finger. Die Masse kribbelte und wogte; es waren kleine Insekten. Einige krabbelten ihren Arm herauf. Nun, angesichts dessen, was ihr im Laufe der Reise alles begegnet war, war auch das nicht weiter beunruhigend.
    Plötzlich stachen Nadeln in ihre Haut. Ihre Hand schien in Flammen aufzugehen. Amely riss sie aus dem Beutel, überzeugt, nur noch ein Gerippe vorzufinden. Ameisen, Hunderte, Tausende! Aufschreiend klopfte sie sich auf die gerötete Haut. Es tat so weh! Wo war Wasser? Jammernd hüpfte sie zwischen den Vorräten herum, begleitet von dem Gelächter der Frauen. In ihrer Verzweiflung hätte sie beinahe in einen simmernden Tontopf gegriffen, besann sich aber doch, eine der Kalebassen über ihrer Hand auszuschütten. Die Häuptlingsfrau zog sie mit sich. Dass hier jeder ständig an ihr herumzerren musste! Im großen Haus wurde sie von Yami auf eine Matte gedrückt. Die Häuptlingsfrau holte eine Paste aus einem Topf und strich sie ihr auf die Hand.
    Es half ein wenig. Es war sogar angenehm kühl. Amely bedankte sich. Yami tätschelte ihre verheulte Wange und begann auf sie einzureden, während sie einen Guaraná-Trunk mischte. Verstohlen sah sich Amely um. Es war hier nicht viel anders als in Rubens Hütte; überall Hängematten zwischen den Pfosten, und abgesehen von den Vorratsgefäßen hängte man alles an die Decke: Schlangenhäute, Kräuter, Körbe voller Pechklumpen, getrockneter Tierchen, Schwämme, Schmuck, Schneckenhäuser. Auf jeder Hängematte lag irgendeine Arbeit, die ihre Besitzerin unterbrochen hatte, um draußen beim Kochen zu helfen.
    Was sollte Ruben von ihr denken, dass sie so jämmerlich versagt hatte?
    «So ein Unfug!», sagte sie laut. Sie war doch keine Indianerin! Was scherten sie all die dummen Rituale und Bräuche? Und solange man sie nicht in den Dschungel jagte, konnte ihr völlig gleichgültig sein, was diese Unzivilisierten von ihr dachten!
    Yami hatte ihren Redeschwall unterbrochen und

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