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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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hatte. Es bedurfte nicht viel, eine verängstigte Braut träumen zu lassen. Und nun Ruben. Bei ihm saß sie als eine Frau, die vom Leben geformt und daran gewachsen war. Sie legte einen Arm um seine Schulter, reckte sich nach seinem versehrten Ohr und küsste es.
    Er erhob sich. «Ich werde die Himmelsanakonda für dich jagen.»
    Sie konnte die Anspannung spüren, die seinen Körper erfasst hatte. Was um Gottes willen hatte er
jetzt
vor? Ihr wäre es lieb, er würde sich wieder an ihre Seite setzen, doch sie wagte nicht, seine Konzentration zu stören. Was immer er tun wollte, er würde es tun. Mit einem Mal fuhr er auf der Ferse herum und stürzte sich hinter ihr kopfüber in den Fluss. Amely konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken. Wenn es ihn die Felsenstufe hinunterriss?
    «Ruben!» Sie kniete, hielt Ausschau, doch da war nur die glatte Fläche des Wassers. «Ruben!»
    Dicht vor ihr schnellte er hoch. Er packte sie an den Armen und zog sie mit sich in die Tiefe. Schwärze umschloss sie, angenehm kühle Schwärze. Nichts sah sie, nichts hörte sie mehr, nur ein dumpfes Brodeln. Sein Arm hielt sie. Nur spüren konnte sie ihn noch, seine Haut, seine kräftigen Muskeln. Sie umschlang seine Mitte. Ihre Lunge sehnte sich nach Luft. Doch seltsam – sie war ganz ohne Furcht.
Ich dachte, mein Geigenspiel hätte den Boto nicht gelockt in jener Nacht – in der Bucht des grünen Mondes. Aber vielleicht war es doch so. Vielleicht war es der Mann, der verletzt vor mir lag. Und jetzt bringt er mich endlich, endlich nach Encante hinab
.
    Dann lag sie in seinen Armen; er trug sie eine niedrige Böschung hinauf. Amely rang nach Atem. Ihr war, als wäre er Stunden mit ihr durch diese berückende Schwärze geschwommen. Aber die andere Dunkelheit, die des Waldes, empfand sie nicht mehr als bedrohlich. Die Wange an seiner Brust, seine nassen Haare im Gesicht, achtete sie nicht auf Geräusche, nicht auf Gerüche und nicht auf Gefahren.
Lauf weiter, lauf weiter, bald sind wir da
.
    Er kniete sich, trug sie in etwas, das eine Höhle sein mochte, und entließ sie behutsam auf ihre Füße. «Hier sind wir sicher.»
    Natürlich. Hier ist Encante
.
    Ihr lag die Frage auf der Zunge, ob er die Große Himmelsanakonda nun gejagt hatte. Aber sie wusste, sie würde es ohnehin nicht verstehen. Einmal hatten die Männer angekündigt, einen Puma jagen zu wollen. Auf dem Dorfplatz hatten sie sich versammelt, sich gegenseitig ein Drogenpulver – sie nannten es Epena – in die Nasenlöcher geblasen und getanzt. Pfeile hatten sie in die Luft geschossen und wildes Geschrei ausgestoßen. Danach waren sie sogleich dazu übergegangen, ihren Erfolg zu feiern. Auf Amelys Frage hin hatte Ruben wie selbstverständlich erklärt, die Jagd habe stattgefunden.
    Nie, nie würde sie die Welt der Yayasacu durchschauen. Auch ihn nicht, Aymáho kuarahy, den Sonnenfalken. Und sie wollte es auch nicht. Es wäre, wie einen wunderbaren Zauber zu brechen.
    Berühre mich.
    Seine Hände umfassten ihr Gesicht; seine Daumen strichen sanft über ihre Wangen. Es war das, was sie wollte, und sie fand es ganz selbstverständlich, dass er ihren Wunsch kannte. Dass er ihn steigern konnte zu einem fast schmerzhaften Sehnen. Es bedurfte nur, einen Kuss dort hinzuhauchen, wo seine Hände eben gewesen waren. Seine Finger glitten an den Innenseiten ihrer Arme entlang, umschlossen ihre Handgelenke. Führten sie hinauf, dass ihre Arme sich reckten. «Halt dich fest», raunte er in ihr Ohr. An ihm wollte sie sich festhalten. Doch wie von selbst umschlangen ihre Finger irgendein Gewächs. Für einen Augenblick war sie allein, seine Hände fort. Sein Atem ging unter im Raunen des nächtlichen Waldes. Ein Regenguss ging nieder und verschluckte jedes Geräusch. Amely widerstand dem Drängen, die Augen zu öffnen; sie hätte ohnehin nichts gesehen. Es war wie eine Prüfung des Vertrauens. Sie würde sie bestehen, o ja, mühelos. Erleichtert keuchte sie auf, als sie seine Hände auf ihren Rippen spürte, die den Rest ihres Nachthemdes langsam hinaufschoben. Ein Hauch strich über ihre entblößten Brüste hinweg. Warm schlossen sich seine Lippen darum. Und mit warmem Pochen antwortete ihr Unterleib.
    «Che hayihu.»
    Ich weiß es ja, ich weiß
 …
    Es auszusprechen, war ihr unmöglich. Sie riss den Mund auf, wollte es hinausschreien vor Glück. Doch eine nie gekannte Hitze rollte über sie hinweg, machte sie zum Geschöpf des Waldes, das nur noch Verlangen und Lust und Gier kannte. Ihr

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