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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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schön zu nennen.
    Sie schlug das Buch zu. Das war nur eine idealisierte Zeichnung, die Wunschvorstellung eines gebildeten Europäers. Indios waren dürre, geduckte Gestalten. Andere sah man ja nie, wenn man durch die Stadt fuhr.

8. Kapitel
    Zwei Monate zuvor
     
    Aymáho schob die Vogelspinne auf die Spitze seines Holzspießes und drehte sie über dem Feuer. Gut angeröstet, mit versengten Härchen, tat er sie in einen Tontopf, den er auf die Glut stellte. Ein wenig Wasser aus der Kalebasse dazu … Bald hüpfte die Spinne auf den kochenden Blasen, als sei sie wieder zum Leben erwacht. Er gab einige wohlschmeckende Kräuter dazu. Außerdem eine Messerspitze gemahlene Siyuoca. Da der Samen dieser Pflanze überaus bitter war, wickelte er eine Honigwabe aus den Palmblattstreifen und träufelte einige Tropfen in den Topf. Mit dem Fuß schob er Erde über die Feuerstelle. Behutsam goss er den Sud in ein schalenförmiges Blatt, das er in der linken Hand hielt. Dann kniete er vor dem Eingang eines Termitenbaus. Aymáho wühlte den freien Arm bis zum Ellbogen hinein und griff eine Handvoll der Insekten, die er sich über Brust, Arme und Schenkel rieb.
    Er nahm Bogen und Köcher auf und schritt ans Flussufer, das Blatt sorgsam vor sich haltend. Unermüdlich spähte er in alle Richtungen, nahm jede Bewegung im Blattwerk der Bäume, jedes Geräusch und jeden Schatten wahr. Seine Sinne und sein Instinkt sagten ihm, dass weder Schlange noch Krokodil in der Nähe waren. Auch keine nicht minder gefährlichen Affen; die mieden das Ufer ohnehin.
    Rasch fand er, was er suchte: eine geschützte Stelle zwischen dicht beieinanderstehenden Bäumen. Ein roter Ara flog auf und flüchtete in den ewig lauten Dschungel. Hier hockte sich Aymáho mit gekreuzten Beinen hin und legte das Blatt auf die Schenkel. Den Bogen und den Köcher legte er griffbereit neben sich und berührte gewohnheitsmäßig das Blasrohr an seiner Hüfte, auch wenn er wusste, dass er gleich nicht mehr imstande sein würde, eine Waffe zu gebrauchen.
    Kein Mann, sofern er bei Verstand ist, tut, was du tust, Aymáho
, hatte Yami vorwurfsvoll gesagt, als er sie um den Honig gebeten hatte.
Aber du hältst dich ja für den Liebling der Götter, nicht wahr?
    Nun, er konnte sich nicht vorstellen, dass Tupan und die anderen Götter seinen Leichtsinn unterstützten. Seine Vermutung, bisher einfach vom Glück begünstigt worden zu sein, hatte er nicht ausgesprochen, ansonsten hätte die erste Frau des Kaziken ihn vollends für verrückt erklärt. Ein Mann durfte kein Träumer sein. Seine Sinne mussten stets hellwach sein. Sogar wenn er schlief.
    Ein Lächeln glitt über sein Gesicht, als er an Yamis Tochter, Tiacca, dachte. Alle – seine Mutter, Yami, der Kazike, im Grunde das ganze Dorf – hatten gesagt, dass die schöne Jägerin niemals dem Werben eines Mannes nachgeben würde, der so leichtfertig mit dem Leben spielte. Es wurde jedoch Zeit für ihn, die Leere seiner Hütte zu füllen. Fünf Jahre lag es nun zurück, dass der Kazike ihn beschnitten hatte. Alle anderen, die ebenfalls bei dieser Zeremonie zum Mann erklärt worden waren, hatten längst zwei, drei lebende Kinder. Nun, Aymáho hatte es nie eilig damit gehabt. Außerdem wollte er eine aus der kleinen Gruppe der Jägerinnen haben, und die waren sehr begehrt. Er wollte Tiacca mit dem biegsamsten Körper und den schwärzesten Haaren. Tiacca, die als beste Jägerin unter den Frauen galt, so wie er unter den Männern. Tiacca, die ihn stets hochmütig angesehen … und dann zu aller Verwunderung seinem Werben nachgegeben hatte.
    Flüchtig hatte er überlegt, sie zu bitten, über ihn zu wachen. Aber da auch sie kein Verständnis für seine Ausflüge in den Siyuoca-Schlaf aufbrachte, verbot es ihm sein Stolz. Er zog es vor, auf seine gewissenhaften Vorbereitungen zu vertrauen. Der Platz war gut gewählt. Die Termiten auf seinem Körper würden die schlimmste und gefährlichste Plage des Waldes, die Ameisen, von ihm abhalten. Die Knoten, welche er in die rings um ihn fallenden Lianen schlang, lenkten die Dämonen des Waldes ab, da sie darin Rätsel vermuteten und es liebten, darüber nachzusinnen. Der Geist der Vogelspinne stärkte ihn. Und dann hatte er ja noch seine Amulette, die er an einer Lederschnur um den Hals trug. Er berührte sie.
    Er neigte sich über das Blatt und saugte den Sud mit Mund und Nase auf. Sein Oberkörper krümmte sich in Erwartung des Schmerzes. Es war nur ein kurzer, aber heftiger Moment, wenn

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