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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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Spinnweben und Blütenstaub bedeckten Haut steckten Dornen und Stacheln. Die Indios rieben sich mit Termiten ein und zwangen sie, es ebenso zu tun. Sie machten ihr Sandalen aus Pflanzenfasern, die sie rasch wieder im schlüpfrigen, durch die vielen kleinen Tierchen wie lebendig wirkenden Untergrund verlor. Sie rannte mit den anderen, wenn Bäume krachend fielen, und verharrte still, wenn sich ein gefährliches Tier im Dickicht verbarg. Dann wieder hieß es, zu rudern.
    «Wann sind wir endlich da?», heulte Amely.
    «Heute», antwortete Ruben.
    Das Gelände war hügelig geworden, die grauen Silhouetten des Hochlandes von Guayana in die Nähe gerückt. Hier und da wuchsen rötliche Felsgebilde aus dem Grün. Beiläufig deutete Ruben auf einen Felsüberhang, der einen kleinen See beschattete. «Der Rote Felsen. Hier halten wir uns Piranhas, zum Essen. Die Enge macht sie wütend. Hier demütigte ich To’anga. Hier starb er.»
    Sie erschauderte.
    Trillern erfüllte die Luft. Nackte Kinder winkten von den Felsen herunter und rannten neben der Bootskolonne her. Frauen, Männer, Alte, Junge versammelten sich dort, wo die Einbäume schlussendlich in den knirschenden Sand fuhren. Amely wollte sich zusammenkauern, das Nachthemd bis über die Knie ziehen, doch unerbittlich wurde sie von Tiacca an Land gezerrt. «Perei Ambue’y, perei Ambue’y», ging es flüsternd von einem Ohr zum andern. Etliche Hände griffen nach ihr. Zerrten an ihrem Nachthemd, hoben es hoch, streichelten ihre Haut. Die Kinder leckten gar an ihr. Die Frauen deuteten auf ihren Mund und erheiterten sich, dass sie Goldschmuck über den Zähnen trug. Als gäbe es hier niemanden, der sich die Nase mit Knochennadeln verschandelt hatte!
    Eine Frau, an Speckwülsten so reich wie Maria, schob die Menge beiseite, baute sich vor Ruben auf und glotzte ihn von Kopf bis Fuß an, derweil sie schmatzend kaute; es mochte Tabak sein. Er machte eine Geste, die vermutlich eine Begrüßung darstellte, doch sie wischte sie mit einer ärgerlichen Handbewegung beiseite, die man auch in den Straßen von Manaus verstanden hätte. Ganz offensichtlich verlangte sie eine rasche Erklärung für Amelys Anwesenheit.
    Ein kleiner, faltiger Mann trat hinzu. Er trug mehr Schmuck als die anderen, und jeder wich ihm ehrerbietig aus. Die Art, wie die beiden nun stritten, wirkte doch sehr vertraut. Schließlich klopfte er Ruben auf die Schulter, als wolle er sagen:
Kümmere dich nicht um das Gekeife meines Weibes, los, erzähl schon.
    Ruben fasste sich kurz. Unschwer war ihm anzusehen, wie sehr es ihm missfiel, seine Mission, oder was immer es gewesen war, nicht ausgeführt zu haben. Schließlich packte er Amely am Arm und zwang sie, ihn zu begleiten. Rundhütten umringten einen Dorfplatz, der von einem größeren Bau aus Holz und Stroh und einer Baumgruppe mit einem ausladenden Haus darauf beherrscht wurde. Feuerstellen, Gestelle zum Trocknen von Häuten, ein Gatter mit schwarzfelligen Schweinen … Viel sah Amely nicht; Ruben schob sie in eine Hütte und wies sie an, sich mit dem Rücken an einen von zwei Stützpfosten, zwischen denen eine Hängematte hing, zu hocken.
    Endlich, endlich schnitt er ihre Fesseln durch.
    Doch nur, um ihre Hände hinter dem Pfosten zu binden.
     
    Ruben hatte sich auf einer Matte ausgestreckt. Bei ihm hockte ein gedrungener Mann, sog an einer Knochenpfeife und zeigte ein zahnlückiges Lächeln. Mit der Linken schüttelte er eine Kokosnuss, in der Knochen oder Samen klapperten. Dazu sang er. Ein
Heil-Lied
, vermutete Amely. Der Schamane neigte sich über Rubens Unterleib und nebelte die Wunde mit Rauch ein. Schließlich erhob er sich und klopfte den Staub von den krummen Beinen.
    «Geht es dir jetzt besser?», murrte Amely, sowie der Mann die Hütte verlassen hatte.
    Ruben rollte sich auf die Seite, stützte den Kopf auf den Ellbogen. Sein Blick zwang sie, die nackten Beine fest anzuziehen. «Pinda ist Schamane. Er sagt, böser Geist ist noch in Wunde. Das ist gefährlich.» Er lernte das Deutsche erstaunlich schnell. Vielleicht war das nicht verwunderlich, da er es nur aus sich hervorbringen musste. Wäre ihre Lage nicht so demütigend, hätte sie sein Eifer gefreut.
    «Die Wunde hat sich wieder entzündet, das ist auch nicht weiter erstaunlich. Tabakqualm ist der Heilung bestimmt nicht förderlich. Würdest du mich bitte losbinden? Ich habe Hunger und Durst, und mir tun die Arme weh.»
    Er erhob sich trotz seiner Verletzung geschmeidig, schlüpfte durch den

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