Die Bucht des grünen Mondes
zukam. Sie kreuzte die Arme vor der Brust, denn in ihrem Nachthemd kam sie sich nackt vor. Was sie mit ihren bloßen Unterschenkeln ja fast war! Die Indiofrau hingegen bewegte sich, als wüsste sie gar nicht, dass sie bis auf ein lächerliches Stück Stoff um die Hüften nichts trug. Amely musste sich zwingen, nicht auf diese frech aufragenden Brüste zu starren.
«Guten Tag. Ich heiße Am…»
«E-tokimi!», fauchte die Fremde aus ihrem großen Mund und riss die Hand zum Schlag hoch. Unwillkürlich duckte sich Amely.
«Tiacca, ani tei!» Ruben hatte sich erhoben; gekrümmt stand er an den Baum gelehnt.
O Himmel, wo bin ich nur hineingeraten?
, fragte sich Amely. Eine Spur freundlicher als die Frau, befahl ihr einer der Männer mit Gesten, sich hinzusetzen und den Mund zu halten. Den Rest des Tages verbrachte Amely damit, ihren Gesprächen zu lauschen und zuzusehen, wie sie Ruben versorgten. Einer verschwand im Wald und kehrte nach Stunden mit einer Handvoll Larven zurück. Mittlerweile hatte die Frau mit einem Feuerbohrer ein Feuer entzündet. Sie verbrannten die Larven. Die Asche rieben sie in Rubens Wunde. Beim besten Willen vermochte sich Amely nicht vorzustellen, dass dieser Dreck hilfreicher als die zerkauten Blätter war.
Die Männer, gedrungener als Ruben, doch ebenso muskulös, brachten Schlangen, häuteten sie und brieten sie über dem Feuer. Die Frau wickelte ein Päckchen aus Palmblättern aus; darin fand sich eine dunkle Paste, von der Amely nicht wissen wollte, woraus sie bestand.
«Danke, ich möchte nichts», murmelte sie, als die Frau ihr einen streng riechenden Klumpen unter die Nase hielt und gestenreich darlegte, dass dies essbar war.
«Komm», rief Ruben.
Erleichtert ging sie zu ihm. Endlich würde er sie anhören. Sie musste ihn überzeugen, nach Manaus zurückzukehren.
Er hockte am Stamm des Kapokbaums und sprach mit einem der Männer. Dieser winkte sie heran. Die Frau bedeutete ihr recht grob, sich vor Ruben hinzuhocken.
Rubens Gesicht hatte Farbe bekommen. Er wirkte gestärkt; sein Körper strotzte vor Verlangen, sich wieder zu bewegen. Aber noch machte ihm die Verletzung zu schaffen – er presste die Lippen zusammen, als er sein Gewicht verlagerte und nach einem großen Stück Rinde griff, das er ihr hinhielt.
«Du sagt – nein, zeige, nein,
schreibe
», er kniff die Augen zusammen im Bemühen, die richtigen Wörter zu finden. «An Wittstock. Schreibe: Muss nicht …
darf
nicht mache Kauchu …»
«Kauchu? Kautschuk?»
«Ja. Kein Kautschuk aus …», er fuhr sich durch die Haare, als könne er die richtigen Wörter aus ihnen herauszwingen. Seine Züge waren vor Anstrengung verzerrt. «Rede!»
«Rede? Was … worüber, Ruben?»
Er bewegte die Finger vor den Lippen und klopfte sich gegen die Stirn. «Hören – du – Wörter – komm.»
Ihr Gerede hatte ihm geholfen, sich zu erinnern. Vielleicht nicht, wer er war, aber er schaffte es mit ihrer Hilfe, seine Muttersprache aus verschütteten Tiefen zu holen. Und prompt fiel ihr nichts ein. Hilflos zuckte sie mit den Schultern.
«Baum – Wald! Yayasacu allein!» Er klopfte sich gegen die Brust, deutete auf die anderen. «Yayasacu.»
«Yayasacu? Seid ihr das?»
Er nickte. «Wir – Wald», mit der Hand machte er verneinende Gesten. «Wittstock nicht Wald! Nicht Kauchu! Sonst Amely …» Er fuhr sich mit dem Zeigefinger über die Kehle.
Das meinte er doch nicht ernst?
Es war alles so unwirklich. Er drückte ihr ein angesengtes Holzstück in die Hand und klopfte auffordernd auf die Rinde in ihrem Schoß. Amely begriff nur langsam, was er von ihr wollte. Es klang zu lächerlich. «Ruben», sie neigte sich vor und sah ihn eindringlich an. «Ich soll Kilian schreiben, dass ihr mich tötet, wenn er es nicht unterlässt, in eure Wälder vorzudringen? Damit willst du dein Volk vor ihm retten?»
Er strich sich das Haar hinter ein Ohr, lauschte angestrengt und nickte.
«Aber so wichtig bin ich ihm doch gar nicht. Du hast ganz falsche Vorstellungen.»
«Schreib!»
«Selbst wenn er seine Leute aus euren Wäldern zurückzieht – es werden andere kommen. Der Bedarf nach Kautschuk ist so gewaltig; und was Kilian sich nicht holt, holen andere.»
«Wittstock Herr über Ambue’y.»
Was dieses Wort bedeutete, glaubte sie begriffen zu haben. Die Ambue’y waren die Weißen, die Eindringlinge. So wie sie. Und aus irgendeinem Grund hielt Ruben seinen Vater für übermächtig. «Kilian Wittstock ist nicht der Herrscher der
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