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Die Buecher und das Paradies

Titel: Die Buecher und das Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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daß ein sogenannter kreativer Text sich quasi blitzartig in der mystischen Flamme einer plötzlichen Eingebung bildet, andererseits, daß der Autor ein Rezept befolgt hat, eine Art geheime Regel, die man gerne aufdecken würde.
    Es gibt keine Regel, beziehungsweise es gibt viele, die sehr variabel und flexibel sind; und es gibt auch nicht das Magma der Inspiration. Aber es stimmt, daß es eine Art von erster Idee gibt, und es gibt sehr präzise Phasen eines Prozesses, der sich schrittweise entwickelt.
    Meine drei Romane haben sich alle aus einer IdeenKeimzelle entwickelt, die wenig mehr als ein Bild war. Diese erste Idee war es, die mich gepackt und den Wunsch geweckt hatte, sie weiterzuverfolgen. Bei Der Name der Rose war es die Idee der Ermordung eines Mönches in einer Bibliothek. Da ich in meiner Nachschrift zum >Namen der Rose< geschrieben habe: »Ich hatte den Drang, einen Mönch zu vergiften«, ist diese provokatorische Formel wörtlich genommen worden und hat eine Reihe von Fragen ausgelöst, warum ich denn um Himmels willen ein solches Verbrechen begehen wollte. Aber ich hatte gar keinen Drang, einen Mönch zu vergiften (und habe es auch nie getan): Ich war lediglich fasziniert vom Bild eines Mönches, der vergiftet wird, während er in einer Bibliothek ein Buch liest. Ich weiß nicht, ob ich von der traditionellen Poetik des angelsächsischen Krimis beeinflußt war, nach der das Verbrechen in einer Pfarrei begangen werden muß. Vielleicht waren Gefühle in mir wach geworden, die ich mit sechzehn verspürt hatte, als ich in den Ferien an einem Exerzitienkurs in einem Benediktinerkloster teilnahm, wo ich zwischen gotischen und romanischen Kreuzgängen umherspazierte und plötzlich in eine Bibliothek geriet, in der aufgeschlagen auf einem Lesepult die Acta Sanctorum lagen, aus denen ich erfuhr, daß es nicht nur, wie man mir weisgemacht hatte, einen seligen Umberto gibt, der am 4. März gefeiert wird, sondern auch einen heiligen Bischof Umberto, der am 6. September gefeiert wird und einen Löwen in einem Wald bekehrt hat. Doch offenbar ist mir seit damals, als ich in jenem vertikal vor mir aufgeschlagenen Folianten blätterte, umgeben von einer souveränen Stille, zwischen Lichtstrahlen, die durch gleichsam geriffelte Milchglasscheiben einfielen auf Wände, die in Spitzbögen endeten, ein Moment von Unruhe geblieben.
    Ich weiß es nicht. Tatsache ist, daß mich jenes Bild des beim Lesen ermordeten Mönches irgendwann aufforderte, etwas um es herumzubauen. Der Rest ist dann nach und nach entstanden, um jenem Bild einen Sinn zu geben, einschließlich der Entscheidung, die ganze Geschichte ins Mittelalter zu verlegen. Zu Anfang hatte ich noch gedacht, sie müßte in unserer Zeit spielen, dann sagte ich mir, da ich das Mittelalter nun einmal kannte und liebte, könnte es ebensogut auch der Schauplatz meiner Geschichte sein. Alles weitere ergab sich dann mit der Zeit beim Lesen, beim Betrachten von Bildern, beim Wiederöffnen von Schränken, in denen sich seit fünfundzwanzig Jahren meine mediävistischen Zettelkästen befanden, die ich zu ganz anderen Zwecken angelegt hatte.
    Mit dem Foucaultschen Pendel verhielt es sich komplizierter. Die Bild-Keimzelle - genauer: die zwei Bilder, aus denen das Ganze hervorgehen sollte - habe ich mir erst suchen müssen, so wie ein Psychoanalytiker das Geheimnis seines Patienten nach und nach aus Erinnerungsfetzen und Traumfragmenten zutage fördert. Am Anfang hatte ich nur eine Unruhe: Ich habe einen Roman geschrieben, sagte ich mir, den ersten meines Lebens, und vielleicht den letzten, denn mir scheint, daß ich alles hineingelegt habe, was mir Vergnügen und was mir Sorgen bereitet, und alles, was ich, sei’s auch nur indirekt, über mich sagen kann. Gibt es noch etwas anderes, was wirklich zu mir gehört und was ich erzählen könnte? So kamen mir zwei Bilder in den Sinn.
    Das erste war das des Pendels, das ich zum ersten Mal vor über dreißig Jahren in Paris gesehen hatte. Es hatte mir großen Eindruck gemacht, und ich sage nicht, daß ich es die ganze Zeit über vergessen hätte. Im Gegenteil, in den sechziger Jahren bin ich einmal von einem befreundeten Regisseur gebeten worden, das Drehbuch für einen Film zu schreiben. Ich möchte hier nicht darüber sprechen, denn das Sujet ist dann schlecht verwendet worden, um daraus einen scheußlichen Film zu machen, der mit meiner ursprünglichen Idee nichts mehr zu tun hatte, und zum Glück konnte ich erreichen - auch dank der

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