Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind
weggenommen hatten.
«Ich erwarte, dass das Geld innerhalb einer Woche hier ist», sagte d’Evecque.
«Zwei», entgegnete Joscelyn.
«Eine Woche!»
«Ich werde es versuchen», sagte Joscelyn lässig.
D’Evecque schob das Kruzifix über den Tisch. «Eine Woche!»
Joscelyn musterte d’Evecque lange, dann legte er einen Finger auf den gekreuzigten Jesus. «Wenn Ihr darauf besteht», sagte er. «Eine Woche.»
Am nächsten Morgen machte Joscelyn sich auf den Weg. Er ritt in voller Rüstung, mitsamt Banner, Pferden und Soldaten, und an seiner Seite ritt Robbie Douglas, gefolgt von weiteren sechzehn Soldaten, allesamt Gascogner, die Thomas gedient hatten, es jetzt aber vorzogen, das Gold des Grafen von Berat zu nehmen. D’Evecque blieben nur die Männer, mit denen er nach Castillon d’Arbizon gekommen war, aber das waren die Bogenschützen. Er stand auf der Burgwehr des Turms und sah Joscelyn und Robbie nach, wie sie davonritten. John Faircloth, der englische Soldat, gesellte sich zu ihm. «Verlässt Robbie uns?», fragte er.
D’Evecque nickte. «Ja. Den sehen wir nicht wieder.»
«Und was machen wir jetzt?»
«Wir warten auf das Geld, dann verschwinden wir.»
«Verschwinden? Einfach so?»
«Was in Gottes Namen sollen wir denn sonst tun? Der Earl of Northampton will diese Stadt nicht, John. Er wird niemanden zur Verstärkung schicken. Wenn wir hierbleiben, sterben wir.»
«Und der Gral?», fragte Faircloth. «Hat der Earl uns deshalb hierhergeschickt? Wusste er davon?»
D’Evecque nickte. «Die Ritter der Tafelrunde», sagte er mit spöttischem Lachen. «Das sind wir.»
«Sollen wir nicht weitersuchen?»
«Der Gral ist nichts als ein gottverdammtes Hirngespinst», erwiderte d’Evecque heftig. «Thomas glaubte halb daran, und der Earl fand, es wäre einen Versuch wert. Aber das Ding existiert nicht. Die ganze Sucherei ist purer Schwachsinn. Und Robbie hat sich mittlerweile auch noch den Kopf verdrehen lassen, aber er wird ihn ebenso wenig finden, weil er nicht zu finden ist. Es gibt nur uns und einen Haufen Feinde, und deshalb nehmen wir unser Geld und gehen nach Hause.»
«Was ist, wenn sie das Lösegeld nicht schicken?», fragte Faircloth.
«Es gibt doch noch Ehre, oder etwa nicht?», empörte sich d’Evecque. «Ich meine, wir plündern, stehlen, vergewaltigen und töten, aber wir würden uns niemals gegenseitig übers Ohr hauen. Gütiger Jesus! Wenn es so weit käme, könnte man ja niemandem mehr vertrauen.» Er hielt inne und spähte zu Joscelyn und seinem Gefolge hinüber, die am Ende des Tals Halt gemacht hatten. «Sieh dir die Bastarde an», sagte er. «Stehen da, beobachten uns und fragen sich, wie sie uns hier rauskriegen.»
Die Reiter warfen tatsächlich einen letzten Blick auf den Turm von Castillon d’Arbizon. Joscelyn sah zu, wie die Flagge des Earl of Northampton dreist in der leichten Brise spielte, und spuckte verächtlich auf die Straße. «Wollt Ihr ihnen wirklich das Geld schicken?», fragte er Robbie.
Die Frage überraschte Robbie. «Selbstverständlich», sagte er. Sobald er die geforderte Summe ausbezahlt bekam, erforderte die Ehre, dass er Guillaume d’Evecque seinen Anteil zukommen ließ. Ihm wäre nie eingefallen, das nicht zu tun.
«Aber sie haben das Banner meines Feindes gehisst», wandte Joscelyn ein. «Wenn du ihnen das Geld schickst, was hindert mich daran, es mir zurückzuholen?» Abwartend sah er Robbie an.
Robbie versuchte, die Tragweite dieser Andeutung auszuloten, sie mit seinem Verständnis von Ehre zu vereinen, doch solange er das Geld schickte, fand er, war der Ehre Genüge getan. «Sie haben keine Waffenruhe gefordert», sagte er zögernd, und das war genau die Antwort, die Joscelyn hören wollte, denn sie bedeutete, dass er zum Angriff übergehen konnte, sobald das Geld bezahlt war. Lächelnd trieb er sein Pferd wieder an.
Sie erreichten Berat gegen Abend. Ein Soldat war vorausgeritten, um in der Stadt die Ankunft des neuen Herrn anzukündigen, und so empfing eine Delegation von Ratsherren und Geistlichen Joscelyn eine halbe Meile vor dem Osttor. Sie knieten nieder, um ihn willkommen zu heißen, und die Geistlichen boten dem Grafen einige wertvolle Reliquien der Kathedrale dar: eine Sprosse von Jakobs Leiter, das Gerippe eines der Fische von der Speisung der Fünftausend, die Sandale der heiligen Gudula und ein Nagel von der Kreuzigung eines der beiden Diebe, die zusammen mit Jesus gestorben waren. Sie alle waren Geschenke des alten Grafen an die
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