Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind
Stadt, und man erwartete von dem neuen Grafen, dass er vom Pferd stieg und den Reliquien in ihren kostbaren Schreinen aus Silber, Gold und Kristall seine Verehrung erwies. Joscelyn wusste das sehr genau, doch er beugte sich nur im Sattel vor und fragte mit schneidender Stimme: «Wo ist der Bischof?»
«Er ist krank, Herr.»
«Zu krank, um mich zu begrüßen?»
«Er ist krank, Herr, sehr krank», sagte einer der Geistlichen. Joscelyn starrte den Mann einen Moment finster an, dann entschloss er sich, die Erklärung zu akzeptieren. Er stieg ab, kniete kurz nieder, bekreuzigte sich vor den dargebotenen Reliquien und bedachte die Ratsherren, die ihm symbolisch die Schlüssel der Stadt auf einem grünen Samtkissen reichten, mit einem knappen Nicken. Eigentlich hätte Joscelyn die Schlüssel entgegennehmen und mit ein paar freundlichen Worten zurückgeben sollen, doch er war hungrig und durstig, und so schwang er sich wieder in den Sattel und ritt an den knienden Ratsherren vorbei.
Der Trupp galoppierte zum Westtor, dessen Wachen ebenfalls vor ihrem neuen Herrn niederknieten, dann erklommen die Reiter den Hügel, auf dem Berat errichtet war. Zu ihrer Linken, leicht erhöht auf einem Felsplateau, stand die Kathedrale, ein langgezogener, flacher Bau ohne Turm, zu ihrer Rechten führte eine gepflasterte Straße zu der Burg, die ganz oben auf dem Kalkfelsen thronte. An den Häusern der Stadt hingen bunte Schilder, sodass die Männer hintereinander reiten mussten, begleitet von den Jubelrufen der Bürger, die die Straße säumten.
Die Straße öffnete sich auf einen Marktplatz, der mit matschigen Gemüseresten bedeckt war und nach dem Mist von Kühen, Schafen und Ziegen stank. Die Burg lag jetzt vor ihnen, und die Tore schwangen auf, als die Wachen die Flagge von Berat erblickten, die Joscelyns Knappe trug.
Dann wurde es für Robbie verwirrend. Ein Diener nahm ihm das Pferd ab, nach einigem Hin und Her bekam er eine Kammer im Ostturm zugewiesen, in der ein Bett für ihn hergerichtet war und ein Feuer brannte, und später gab es ein wildes Gelage, zu dem auch die verwitwete Gräfin eingeladen war. Zu Robbies Überraschung war sie jung, drall und hübsch, und nachdem das Mahl beendet war, packte Joscelyn sie am Handgelenk und nahm sie mit in sein neues Schlafgemach, das Zimmer des alten Grafen. Robbie blieb im großen Saal, wo die Soldaten drei Dienerinnen die Kleider vom Leib rissen und sich der Reihe nach an ihnen vergingen. Andere zerrten, weil Joscelyn sie ermuntert hatte, bevor er verschwunden war, bündelweise Pergamente aus den Regalen und warfen sie in das große, kräftig lodernde Feuer. Henri Courtois beobachtete das Ganze, ohne etwas zu sagen, betrank sich aber ebenso hemmungslos wie Robbie.
Am nächsten Morgen wurden die restlichen Regale leergeräumt. Die Bücher flogen durch ein Fenster in den Burghof, wo wiederum ein großes Feuer entzündet war. Die Regale wurden zerhackt und folgten den Büchern und Pergamenten. Bester Laune überwachte Joscelyn die Räumungsaktion, und zwischendrin empfing er Besucher. Einige von ihnen waren Bedienstete seines Onkels gewesen – Jäger, Waffenschmiede, Kellermeister und Schreiber – und wollten sich vergewissern, dass ihre Arbeit auch weiterhin gebraucht wurde. Andere waren niedere Adlige aus seinem Herrschaftsgebiet, die kamen, um ihren Lehnseid zu erneuern, indem sie ihre Hände zwischen die des jungen Grafen legten und den Kuss empfingen, der den Eid besiegelte. Auch Bittsteller kamen, die Gerechtigkeit forderten, sowie Männer, denen der verstorbene Graf noch Geld schuldete und die nun hofften, dass sein Nachfolger die Schulden begleichen würde. Die Priester der Stadt baten den Grafen um Geld, damit sie Messen für den Verstorbenen lesen konnten, und die Ratsherren von Berat sprachen in ihren rot-blauen Roben vor, um Joscelyn davon zu überzeugen, dass die Steuern in der Stadt gesenkt werden mussten. Neben all dem brüllte Joscelyn seinen Männern immer wieder zu, sie sollten alles verbrennen, was beschrieben war, und als ein junger Mönch ängstlich protestierte, er habe noch nicht alle Unterlagen gesichtet, warf Joscelyn ihn kurzerhand aus dem großen Saal. Wenig später entdeckte er die Kammer des Mönchs, in der noch weitere Dokumente lagen. Auch die landeten vor den verzweifelten Augen des Mönchs im Feuer.
Gerade als dieser neu entdeckte Haufen Pergamente aufloderte, dass die Glutfetzen durch den Burghof wirbelten und das Strohdach der Stallungen gefährdeten,
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