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Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind

Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind

Titel: Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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gehabt hätte, die dazu führte, dass er stets betrunken war, wenn zum Angelus geläutet wurde. Aber er erinnerte sich noch an seine Studienzeiten in Paris und daran, dass er damals erwogen hatte, sich selbst auf die Suche nach dem Stein der Weisen zu machen, jener geheimnisvollen Substanz, die, mit jedem beliebigen anderen Metall verschmolzen, zu Gold wurde. «Noah besaß ihn», sagte er.
    «Wen?»
    «Den Stein der Weisen. Aber er hat ihn verloren.»
    «Weil er nackt und betrunken war?», fragte die Magd, die sich dunkel an die Geschichte von Noah erinnerte. «So wie Ihr?»
    Der Priester lag auf seinem Bett, ebenfalls nackt und zumindest halb betrunken, und dachte an die verräucherten Werkstätten in Paris zurück, in denen Silber und Quecksilber, Blei und Schwefel, Bronze und Eisen geschmolzen und geformt und wieder geschmolzen wurden. Er hickste.
    «Gütiger Jesus», seufzte er. «Der Stein der Weisen. Wir müssten nur den Stein der Weisen finden, dann könnten wir alle Gold machen.»
    «Und wie geht das?»
    «Das werde ich dir erzählen.» Er drehte sich auf die Seite und starrte auf ihre Brüste, die weiß und schwer im Mondlicht schimmerten. «Man muss sehr klug sein», sagte er und streckte die Hand nach ihr aus, «um den Stein der Weisen zu finden. Das ist eine Substanz, die heißer brennt als die Feuer der Hölle. Man legt sie mit jedem beliebigen Metall in den Ofen, und nach drei Tagen und drei Nächten hat sie sich zu Gold verwandelt. Hat Corday nicht gesagt, sie hätten da oben einen Ofen gebaut?»
    «Er hat gesagt, sie haben den Turm zu einem Gefängnis umgebaut.»
    «Einen Ofen», sagte er unbeirrt, «um den Stein der Weisen zu erschaffen.»
    Mit dieser Vermutung kam der Pfarrer der Wahrheit näher, als er ahnte, und bald war das ganze Dorf überzeugt, im Turm sei ein großer Philosoph eingesperrt, der versuche, Gold zu machen. Wenn es ihm gelang, erzählte man sich, würde niemand mehr arbeiten müssen, denn dann wären sie alle reich. Bauern würden von goldenen Tellern essen und Pferde mit silbernem Zaumzeug reiten, doch einige Leute wandten ein, es müsse eine merkwürdige Form der Alchemie sein, denn eines Morgens seien zwei von den Soldaten ins Dorf gekommen und hätten drei alte Ochsenhörner und einen Eimer Kuhmist mitgenommen. «Jetzt werden wir tatsächlich alle reich», spottete die Hausmagd. «Wenn sie schon Kuhmist zu Gold verarbeiten.» Doch der Pfarrer schnarchte bereits.
    Dann, im Herbst nach dem Fall von Calais, kam der Kardinal aus Paris. Er logierte in Soissons, in der Abtei von Saint-Jean-de-Vignes, die zwar reicher war als die meisten Klöster, aber dennoch außerstande, das gesamte Gefolge des Kardinals unterzubringen. Also zogen etwa zehn seiner Männer in ein Gasthaus, wo sie dem Wirt fröhlich verkündeten, er solle die Rechnung nach Paris schicken. «Der Kardinal wird bezahlen», versicherten sie ihm und lachten dann, denn sie wussten, dass Louis Bessières, Kardinalerzbischof von Livorno und päpstlicher Legat am Hofe Frankreichs, etwas so Triviales wie eine Geldforderung gar nicht zur Kenntnis nehmen würde.
    Obwohl Seine Eminenz das Geld in letzter Zeit mit vollen Händen ausgab. Er war derjenige, der den Turm restauriert, die neue Mauer gebaut und die Wachen eingestellt hatte, und an dem Morgen nach seiner Ankunft in Soissons ritt er mit einer Eskorte von sechzig bewaffneten Männern und vierzehn Geistlichen zu dem Turm. Auf halbem Weg kam ihnen Monsieur Charles entgegen, ganz in Schwarz gekleidet und mit einem langen, schmalen Dolch an der Hüfte. Er begrüßte den Kardinal nicht voller Respekt, wie jeder andere es getan hätte, sondern nickte nur kurz und wendete sein Pferd, um neben ihm zu reiten. Der Kardinal bedeutete seinem Gefolge, ein Stück zurückzubleiben, damit niemand hören konnte, was gesprochen wurde.
    «Du siehst gut aus, Charles», sagte der Kardinal spöttisch.
    «Ich langweile mich.» Die Stimme des hässlichen Charles klang wie Eisen, das durch Kies geschleift wurde.
    «Gott zu dienen kann hart sein», sagte der Kardinal.
    Charles ignorierte den Sarkasmus. Er hatte eine Narbe, die von seiner Lippe bis zum Wangenknochen ging, Tränensäcke unter den Augen und eine gebrochene Nase. Die schwarzen Kleider hingen an seinem mageren Körper wie Lumpen an einer Vogelscheuche, und sein Blick huschte unablässig hin und her, als fürchte er einen Überfall. Jeder entgegenkommende Reisende, der wagemutig genug gewesen wäre, sich den Kardinal und seinen

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