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Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind

Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind

Titel: Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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jedoch zu verformen. Von außen würden kleine Tunnel durch den Ton gebohrt, und dann würde Gaspard die formlose Masse in dem großen Ofen im Innenhof brennen. Dabei würde das Wachs schmelzen und durch die Tunnel auslaufen, und wenn er gut gearbeitet hatte, befände sich, verborgen im nunmehr gehärteten Ton, ein Hohlraum in der Form des Lebensbaums.
    «Und wozu der Kuhmist?», fragte der Kardinal voller Interesse. Alle schönen Dinge faszinierten ihn, vielleicht weil sie ihm in seiner Jugend versagt gewesen waren.
    «Er wird sehr hart, wenn man ihn brennt», erklärte Gaspard, «und bildet dann eine feste Schicht um den Hohlraum.» Er lächelte dem mürrischen Mädchen zu. «Yvette mischt ihn für mich. Die Schicht, die unmittelbar auf das Wachs gestrichen wird, ist sehr fein, die äußeren gröber.»
    «Diese Dungmischung bildet also die harte Oberfläche der Form?», fragte der Kardinal.
    «Genau», erwiderte Gaspard, erfreut, dass sein Retter und Wohltäter das Verfahren verstand.
    Wenn der Ton ausgekühlt war, würde Gaspard geschmolzenes Gold in den Hohlraum gießen, und dann konnte er nur noch hoffen, dass das flüssige Feuer jede noch so winzige Höhlung, jedes Blatt und jeden Apfel, jeden Nagel und jede kunstvoll modellierte Struktur der Baumrinde ausfüllte. Und wenn das Gold abgekühlt und ausgehärtet war, würde er den Tonmantel zerschlagen, und dann käme entweder der prachtvollste Kelch zum Vorschein, den die Christenheit je erblickt hatte, oder ein formloser Goldklumpen. «Wahrscheinlich werde ich ihn in mehreren Einzelteilen gießen müssen», sagte Gaspard nervös.
    «Du wirst es mit diesem Modell versuchen», befahl der Kardinal und breitete das Leintuch wieder über den Wachskelch. «Und falls es misslingt, wirst du ein neues machen und es noch einmal versuchen und noch einmal, und wenn du es geschafft hast, Gaspard, werde ich dir die Felder und den Himmel wiedergeben. Dir und deiner kleinen Freundin.» Er lächelte der Frau verhalten zu, schlug das Kreuz über Gaspards Kopf und verließ den Keller. Draußen wartete er, während sein Bruder die Tür verriegelte. «Sei nicht unfreundlich zu ihm, Charles.»
    «Unfreundlich? Ich bin sein Kerkermeister, nicht seine Amme.»
    «Und er ist ein Genie. Er glaubt, er fertigt mir einen Messkelch. Er hat keine Ahnung, wie wichtig seine Arbeit ist. Das Einzige, wovor er sich fürchtet, bist du, also sorg dafür, dass er sich wohl fühlt.»
    Charles wandte sich von der Tür ab. «Und wenn sie nun den echten Gral finden?»
    «Wer sollte ihn finden?», entgegnete der Kardinal. «Der englische Bogenschütze ist verschwunden, und dieser trottelige Mönch wird ihn in Berat gewiss nicht auftreiben. Er wirbelt nur Staub auf.»
    «Warum hast du ihn dann geschickt?»
    «Weil der Gral eine Vergangenheit haben muss. Bruder Jerôme wird in der Gascogne ein paar Geschichten über den Gral ausgraben, und sobald er offiziell erklärt hat, dass es Aufzeichnungen über den Gral gibt, werden wir den Kelch nach Berat bringen und seine Entdeckung verkünden.»
    Charles war immer noch mit dem echten Gral beschäftigt. «Ich dachte, der Vater dieses Engländers hätte ein Buch hinterlassen?»
    «Hat er, aber es steht nichts Brauchbares drin. Es sind die Kritzeleien eines Verrückten.»
    «Dann finde den Bogenschützen und hol die Wahrheit aus ihm heraus.»
    «Wir werden ihn finden», sagte der Kardinal grimmig, «und beim nächsten Mal werde ich dich auf ihn loslassen, Charles. Dann wird er reden. Aber bis dahin müssen wir weitersuchen und vor allem weiterarbeiten, also sorge gut für unseren Gaspard.»
    «Ja», sagte Charles, «und dann sorge ich dafür, dass er schweigt.» Denn Gaspard würde den beiden Brüdern den Weg zum Papstpalast in Avignon bereiten, und der Kardinal, der die Stufen zum Innenhof hinaufstieg, konnte die Macht bereits schmecken. Er würde Papst sein.

    Frühmorgens am gleichen Tag, weit südlich des abgelegenen Turms bei Soissons, wartete der Scheiterhaufen für die Verbrennung der Ketzerin im Schatten der Burg von Castillon d’Arbizon. Das Holz war sorgfältig aufgeschichtet worden, genau wie Vater Roubert es angeordnet hatte: Rund um den dicken Pfahl mit der Kette war zunächst eine Schicht Anmachholz verteilt worden und darüber vier Schichten aufrecht angeordneter Zweigbündel, die sehr hell, aber nicht zu heiß brennen und nur wenig Rauch bilden würden, sodass die Leute sehen konnten, wie Geneviève sich in den lodernden Flammen wand, und Zeuge

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