Die Bücher vom Heiligen Gral. Der Erzfeind
wieder angefangen zu bluten, und ihr Leinenhemd war bis zur Taille rot gefärbt.
Bruder Clément kniete sich neben sie. Er tupfte ihr die Stirn mit einem feuchten Tuch ab, tätschelte ihr die Wange und gab erneut beruhigende Laute von sich. Dann stützte er mit lächelndem Gesicht sein linkes Knie auf ihre Brust, umfasste den Bolzen mit beiden Händen und zog.
Sie schrie auf, doch der Bolzen kam heraus. Mit einem Messer schlitzte der Mönch das Leinenhemd auf, legte die Wunde frei und drückte das feuchte Tuch darauf. Er bedeutete Thomas, es dort festzuhalten, während er sich wieder am Tisch zu schaffen machte.
Kurz darauf kam er mit einem Stück verschimmeltem Brot zurück, das er in Wasser eingeweicht hatte. Er tauschte es gegen das feuchte Tuch, gab Thomas einen Streifen Sackleinen und bedeutete ihm, es Geneviève wie einen Verband um die Brust zu legen. Thomas setzte sie auf, was ihr erneut ein Stöhnen entriss, und sobald sie saß, trennte Bruder Clément ihr das restliche Hemd vom Körper, dann wickelte Thomas ihr das Sackleinen um Brust und Schulter, und erst als die schimmelige, blutgetränkte Kompresse fest auf die Wunde gebunden war, durfte sie sich ausruhen. Bruder Clément lächelte zufrieden und legte beide Hände an die Wange, um ihnen zu verstehen zu geben, dass Geneviève jetzt schlafen solle.
«Danke», sagte Thomas.
Bruder Clément öffnete den Mund zu einem breiten Strahlen, und Thomas sah, dass der Mönch keine Zunge hatte. Über ihren Köpfen raschelte etwas, vermutlich eine Ratte. Der kleine Mönch griff nach einem dreizackigen Aalspeer und stocherte wild im Stroh herum, riss damit jedoch nur Löcher ins Dach.
Geneviève schlief.
Bruder Clément kümmerte sich um seine Aussätzigen, dann kam er mit einem Tontopf zurück, in dem ein wenig Glut lag. Mit der Glut brachte er in einem Kohlenbecken ein Bündel Zunder zum Brennen, legte Holz dazu, und als das Feuer kräftig loderte, warf er den Bolzen, der Geneviève verletzt hatte, hinein. Die Lederflügel verschmorten und stanken. Bruder Clément nickte zufrieden, und Thomas begriff, dass der kleine Mönch Genevièves Wunde heilte, indem er das Ding bestrafte, das sie ihr zugefügt hatte. Dann trat Bruder Clément leise zu Geneviève, betrachtete sie prüfend und lächelte. Er zog zwei schmutzige Decken unter dem Tisch hervor, und Thomas breitete sie über seine Gefährtin.
Er ließ sie schlafen. Er musste die Pferde versorgen und sie in der Weinpresse des Klosters für die Nacht einstellen. Er hoffte, mit Abbé Planchard sprechen zu können, doch die Mönche waren in der Klosterkirche beim Gebet, und dort waren sie auch noch, nachdem Thomas es Bruder Clément gleichgetan und der Stute den Bolzen aus der Flanke gezogen hatte. Sie wieherte vor Schmerz, und Thomas musste aufpassen, dass er nicht von ihren auskeilenden Hufen getroffen wurde. Als sie sich beruhigt hatte, wusch er die Wunde aus, tätschelte ihr den Hals und trug Sättel und Zaumzeug, Pfeilbündel und Bogen sowie ihr übriges Gepäck in die Hütte. Geneviève war aufgewacht, saß gegen einen Strohsack gestützt, und Bruder Clément flößte ihr, begleitet von seinen Gurrlauten, eine Suppe aus Pilzen und Sauerampfer ein. Er lächelte Thomas zu und wies mit dem Kopf zum Hof, aus dem Gesang zu hören war. Es waren die Aussätzigen, und der Mönch summte leise mit.
Auch Thomas bekam Suppe und Brot. Nachdem er gegessen hatte und Bruder Clément gegangen war, legte er sich neben Geneviève. «Es tut immer noch weh», sagte sie, «aber nicht mehr so schlimm wie vorher.»
«Das ist gut.»
«Als der Bolzen traf, hat es überhaupt nicht wehgetan. Es war nur wie ein Stoß.»
«Du wirst schon wieder gesund», versicherte Thomas ihr.
«Weißt du, was sie da eben gesungen haben?», fragte sie.
«Nein.»
«Das Lied von Herric und Alloise. Sie waren ein Liebespaar. Vor langer, langer Zeit.» Sie strich mit dem Finger über sein unrasiertes Kinn. «Danke», sagte sie.
Nach einer Weile schlief sie wieder ein. Durch das löchrige Dach fielen schmale Streifen Mondlicht herein, und Thomas sah, dass sie Schweißperlen auf der Stirn hatte. Doch immerhin atmete sie ruhig, und ein wenig später sank er ebenfalls in den Schlaf.
Er schlief unruhig. Irgendwann in der Nacht träumte er von Hufgetrappel und lauten Männerstimmen. Eine Glocke läutete Alarm. Schließlich wachte er auf und begriff, dass es kein Traum war. Er schlug die Decke beiseite, um nachzusehen, was passiert war, doch dann
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