Die Bücher von Umber, Band 3: Das Ende der Zeit
ganz krank vor Sorge, auÃerdem kann ich mir nicht vorstellen, dass ihr es nach Hause schafft, ohne euch vorher gegenseitig umzubringen. Balfour, würdest du das organisieren?«
»Die Vorstellung erfüllt mich mit Freude«, antwortete Balfour.
»Ausgezeichnet. So, Hap, warum sehen wir nicht einmal nach, was das wuchernde Unkraut auf der Terrasse im Schilde führt?«
»Ich wünschte, Fendofel könnte das sehen«, meinte Umber.
Den Ãsten des Dornenbaums waren Tausende schmale, spitz zulaufende Blätter entsprossen. Die stinkenden Blüten waren verwelkt und ihre abfallenden Blütenblätter enthüllten kleine fleischfarbene Früchte. Umber streckte die Hand aus und drückte vorsichtig an einer herum. »Ob die wohl essbar sind?«
»Ich würde sie nicht probieren«, sagte Hap. Alles an diesem Baum machte ihn nervös, sogar diese eiförmigen Früchte.
Umbers Blick wanderte die Wurzeln entlang, die sich wie eingefrorene Schlangen über den gesamten Terrassenboden ausbreiteten. »Wenigstens hat der Baum damit aufgehört, meine anderen Pflanzen umzubringen.« Er beugte sich wieder zu einer Frucht vor, bis er sie beinahe mit der Nase anstieÃ. »Vielleicht irre ich mich ⦠aber ich glaube, ich kann sehen, wie diese Frucht wächst. Wir haben ein Auge drauf. Hap, kannst du heute Nacht Wache halten, wenn wir anderen schlafen?«
Hap schaute durch die beiden Fenster seines winzigen Zimmers in die Nacht hinaus. Unter ihm lag das, was von der uralten Burg Petraportus übrig geblieben war. Innerhalb der Ruine befand sich eine neue Grabstätte, die Umber für den Fischer und dessen Frau angelegt hatte â jenes zurückgezogen lebende Paar, das sich als Haps untröstliche Eltern herausgestellt hatte. Es war Willy Nillys Schuld, dass sie tot waren. Zwar hatte Willy niemals die Hand gegen sie erhoben, doch die Ereignisse, die er Jahre zuvor in Gang gesetzt hatte, hatten schlieÃlich zu ihrem Tod geführt. Und arbeiteten Fädenzieher nicht immer so, indirekt?
Doch jetzt befand sich Willy nur ein paar Türen entfernt und war selbst dem Tod nahe. Hap spürte den Drang, dort hineinzuplatzen und ihn wach zu rütteln. Warum ich? , wollte er schreien. Wie kannst du es wagen, mich in einen von deiner Art zu verwandeln? Und jetzt wollt ihr, dass ich diese Welt hier verlasse und eine andere rette? Ich habe nie um diese Kräfte gebeten. Ich will diese Bürde nicht!
Es war schon spät, und er ging davon aus, dass alle anderen schliefen. Vorsichtig öffnete er seine Zimmertür und schlich sich auf den Flur. Die anderen Türen waren geschlossen, bis auf eine, über deren Schwelle ein Rechteck goldenen Lichtes drang. Hap ging hin und sah Willy Nillys reglose, bewusstlose Gestalt. Das Gesicht des Fädenziehers war blass, sein Unterkiefer hing herab und er atmete schwer und rasselnd.
In einem zweiten Bett schlief Laurel mit dem Gesicht zur Wand. Lily, die Stumme, döste in einem Stuhl neben Willys Bett vor sich hin. Irgendetwas machte sie auf Haps Anwesenheit aufmerksam, und sie öffnete klimpernd die Augen. Mit einem Lächeln hielt sie sich eine Hand vor den Mund, um ein Gähnen zu verbergen.
Hap winkte ihr zu, doch lächeln konnte er nicht. Mit einem Fingerzeig auf Willy fragte er: »Ist er schon mal aufgewacht?«
Lily schüttelte den Kopf.
Hap kaute einen Augenblick auf seinem Daumenknöchel herum. »Glauben Sie ⦠dass er überleben wird?«
Lily sah den Fädenzieher mit gespitzten Lippen kritisch an. Dann tippte sie sich mit einer Hand an die Schläfe und zuckte mit den Schultern.
Hap fiel nichts ein, worüber er sonst hätte sprechen wollen. SchlieÃlich winkte er ihr zu. »Gute Nacht!« Sie lächelte, und Hap nahm die Treppe zur Terrasse hinauf.
Mit seinen besonderen Augen konnte er den Dornenbaum auch im Dunkeln sehen. Die Wurzeln und Ãste waren nicht weitergewachsen, aber die Früchte waren auf die GröÃe von Totenschädeln angeschwollen, so dass die Ãste unter ihrem Gewicht herabhingen. Hap nahm beim Zählen seinen Zeigefinger zu Hilfe: Elf .
Er lief zwischen den anderen Pflanzen auf der Terrasse umher, vorbei an Umbers kleinem Turm, einem Zylinder auf einem hoch aufragenden Felsvorsprung von Aerie. Am Rand der Terrasse lehnte er sich, auf die Unterarme gestützt, über das steinerne Geländer und blickte auf die Bucht hinaus.
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