Die Bücher von Umber: Drachenspiele
anderen, tretet zurück und lasst meinem Bruder Raum zum Atmen!«
Umber schien sich eine Bemerkung zu verkneifen. »Ich glaube, er möchte mir etwas mitteilen.«
Argent schnappte nach Luft, wie um Kraft zu sammeln. Seine freie Hand erhob sich zitternd und zeigte auf Lodens Gesicht. Oder seinen Hals, dachte Hap. Doch die Anstrengung war zu viel für den schwer verletzten Mann. Die Hand fiel zu Boden. Argent schaute Loden an und dann wieder Umber. Dann versuchte er ein letztes Mal, ein Wort zu formen, doch es erstarb auf seinen Lippen.
Sie zogen schweigend durch die Nacht. Ein Mann ging mit einer Laterne in der erhobenen Hand voraus. Ihm folgte das Lastpferd mit klappernden Hufen; selbst sein Kopf war gesenkt. Danach kamen zwei Männer, die eine Bahre zwischen sich trugen. Der eine war Loden; er hatte darauf bestanden und weigerte sich beharrlich, seinen Platz zu räumen, auch als der ermüdete zweite Träger um Ablösung bat. Die zugedeckte Gestalt auf der Bahre bewegte sich nicht, noch nicht einmal, wenn einer der Träger stolperte.
Ein anderer Mann war vorausgeschickt worden. Hap fragte sich, ob er sich freiwillig hätte melden sollen, schlieÃlich brauchte er weder eine Fackel noch eine Laterne, um etwas zu sehen, und seine niemals müden Beine konnten die Strecke doppelt so schnell zurücklegen. Aber er wollte auf keinen Fall derjenige sein, der dem Königreich die schreckliche Nachricht überbrachte: Prinz Argent, der mürrische, vernünftige, fähige Mann, der dem kranken König auf den Thron hatte folgen sollen, war tot.
8
G raue Wolken legten sich über die Stadt wie ein Beerdigungsmantel. Die Menschen schlichen durch die StraÃen, den Blick entweder auf das Kopfsteinpflaster oder auf den groÃen Palast geheftet. Noch einen Tag zuvor waren Handwerker in Schwärmen über die Werft gelaufen und hatten an den Wänden der vom Unwetter beschädigten Gebäude Baugerüste errichtet. Doch jetzt schwiegen die Hämmer und Sägen.
Am Tag nach dem Unglück gab es nachmittags einen Trauerzug, und die Bürger von Kurahaven säumten mit den Hüten in der Hand die StraÃen. Ein Pferdegespann zog die Totenbahre mit dem Leichnam von Prinz Argent. Ihr folgte als Nächstes die Privatgarde des Prinzen, die Lippen zu einer dünnen Linie zusammengepresst. Dann kam Loden; er hatte exakt das Gesicht aufgesetzt, das ein untröstlicher Bruder zur Schau tragen musste. Hinter ihm folgte Galbus. Er schwankte im Sattel und schaute mit trübem Blick ins Leere.
Happenstance stand bei Umber, Balfour, Sophie, Lady Truden und Oates und sah die Prozession vorbeiziehen. Umber verneigte sich, als Argent vorbeigefahren wurde, hob den Kopf jedoch schnell wieder, um Loden scharf zu beobachten. Der jüngste Prinz schaute einen Moment lang in seine Richtung und presste fast unmerklich die Kiefer zusammen, als er seinen Blick bemerkte.
Umber wartete kurz, dann sagte er leise zu Balfour: »Ich werde einen der Wachmänner zu dieser Frau schicken, die in der Nähe des Wasserfalls wohnt. Vielleicht spricht sie mit ihm, wenn Loden nicht dabei ist.«
»Es ist entsetzlich«, sagte Umber. Er sank am Tisch in sich zusammen und grub seine Fingerspitzen in die Haut neben seinen Augen. Hap beobachtete Umber genau, voller Angst, dass Argents Tod ihn wieder in eine seiner Phasen abgrundtiefer Traurigkeit katapultieren würde. Lady Truden trieb offenbar dieselbe Angst um, denn sie erfand dauernd Gründe, um durch den groÃen Saal zu spazieren, und warf Umber jedes Mal besorgte Seitenblicke zu.
Balfour kam mit einem Becher dampfenden Kaffees, einem Milchkännchen und einem Teller voller flacher runder Küchlein, die noch dampften und mit dunklen Flecken übersät waren, aus der Küche von Aerie. Umber rang sich bei ihrem Anblick ein schwaches, aber dankbares Lächeln ab.
»Hoffe, sie sind gelungen. Ich habe deine Anweisungen genauestens befolgt«, sagte Balfour.
»Ah! Wenn uns jetzt irgendwas aufheitern kann, dann das, was Balfour da gerade bringt«, sagte Umber, nahm den Teller und hielt ihn Hap hin. »Happenstance, darf ich dir die unvergleichlichen Chocolate Chip Cookies vorstellen? Und Schande über mich, dass ich so lange gebraucht habe, um sie zu erfinden. Aber natürlich brauchten wir zunächst mal eine Quelle für Schokolade, die erst kürzlich entdeckt wurde.«
Hap nahm sich einen Keks vom Teller. Er lag warm in
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