Die Bücher von Umber: Drachenspiele
alle Mühe, ruhig zuzuhören, aber eine seiner Augenbrauen zuckte.
Galbus richtete sich auf. Jetzt, wo er nicht seine übliche betrunkene Haltung einnahm, war er gröÃer, als Hap gedacht hatte. »Ich weiÃ, was alle erwarten«, sagte Galbus. »Jetzt, wo Argent nicht mehr ist und unser Vater dahinsiecht, gehen alle davon aus, dass eine nutzlose Seele wie ich auf den Thron verzichtet und den fähigeren jüngeren Bruder seinen Platz einnehmen lässt.«
Loden lächelte und verneigte sich. »Mein Bruder, es wäre mir eine Ehre â¦Â«
»Lass mich ausreden«, sagte Galbus und hob die Hand. Lodens Lächeln erlosch.
»Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass so etwas geschehen könnte«, sagte Galbus. »Argent erschien so stabil und für die Ewigkeit gemacht wie die Berge. Aber jetzt, wo er nicht mehr ist, hat sich eine gähnende Leere vor mir aufgetan. Eine Lücke, von der ich mich plötzlich frage, ob ich sie überhaupt füllen kann.«
Umber sah Hap mit hochgezogenen Brauen an.
Galbus zupfte am Saum seines Hemdes. »Ich glaube, es wird Zeit, dass ich Vernunft annehme. Ich habe lange genug den Narren gespielt. Aber ich war nie blind für die Vorzüge meiner Brüder und die Bedürfnisse des Königreichs. Auch wenn ihr es vielleicht nicht glaubt, ich habe gut aufgepasst. Mein Bruder, meine Freunde: Ich liebe unsere Nation, unser Volk, unsere herrliche Stadt. Und ich glaube, es könnte mir doch gefallen, ihr König zu werden.«
Hap konnte kaum fassen, welche Verwandlung mit dem plötzlich so nüchternen Prinzen vorgegangen war. Loden indessen hatte eine ganz eigene Veränderung durchgemacht. Er sah aus, als hätte er etwas Widerliches im Mund, das er weder schlucken noch ausspucken konnte. Doch er fasste sich schnell wieder. Er schüttelte sich kurz, und schon hatte er einen neuen Ausdruck auf sein Gesicht gezaubert: einen weichen Blick und ein warmes Lächeln, kombiniert mit einem leicht schief gelegten Kopf. Es war die Miene eines beeindruckten und bewegten Mannes.
»Lord Umber«, sagte Galbus, »Sie sind der höchstgeschätzte Bürger und getreueste Freund dieses Königreichs. Ich zähle auf Ihre Weisheit. Im Gegenzug werden Sie bei mir ein offeneres Ohr für Ihre Ideen finden als bei meinem Vater oder dem armen Argent.« Umber verneigte sich. Galbus streckte Loden seine Hand entgegen. »Und du, mein kluger, geschickter Bruder: Natürlich werde ich deinen Rat ebenso brauchen. Auch du wirst ein Ratgeber meines Vertrauens sein.«
Loden lächelte zurück und umschloss die dargebotene Hand mit beiden Händen. »Natürlich, mein lieber Bruder. Ich stehe dir mit Herz und Verstand zur Verfügung.«
Umbers Miene blieb unverändert, auch als sie den Palast verlieÃen und in die Kutsche stiegen. Aber als sie durchs Tor fuhren und auf die StraÃen von Kurahaven abbogen, legte er seinen Kopf in den Nacken und lachte. »Ich glaube, Loden hat gerade den Schock seines Lebens bekommen. Galbus ist über Nacht erwachsen geworden! Wer hätte das gedacht?«
»Er ist wie ausgewechselt«, sagte Hap.
»Ja, wirklich unglaublich«, meinte Umber. »Jetzt muss ich nur einen Weg finden, ihm höflich zu verstehen zu geben, dass er gut auf sich aufpassen soll, wenn diese Natter von Bruder um ihn herumschleicht.«
Hap rieb sich die Stirn. »Glauben Sie, Prinz Loden würde seinem Bruder etwas antun â seinen beiden Brüdern?«
Umber schnaubte. »Er würde sich selbst den rechten Arm abhacken, wenn ihn das zum König machen würde. Loden tut immer genau das, was Loden den gröÃten Vorteil bringt. Egal, welchen Preis andere dafür zahlen müssen.« Er lehnte sich zurück, schloss die Augen und lächelte. »Stell dir nur vor, was ich alles erreichen könnte, wenn Galbus auf dem Thron landet. Das ist fast zu schön, um wahr zu sein.« Umber zupfte an seinem Ohr und dachte eine Weile nach. Dann beugte er sich aus dem Fenster, klopfte an die Kutschwand und rief dem Fahrer zu: »Dodd! Dodd, mein Lieber! Hab ich dir gesagt, dass ich noch kurz zur Reederei muss?«
Die Reederei Umber, eins der unzähligen Unternehmen in Umbers Besitz, war in einem imposanten Marmorgebäude untergebracht, das über dem Hafen aufragte. »Ich muss mich um eine geschäftliche Angelegenheit kümmern, aber das Gespräch wird so langweilig,
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