Die Bücher von Umber: Drachenspiele
direkt unter der Wasseroberfläche sehen, und das Tier balancierte einen Moment lang in der Luft, als stünde es auf festem Grund. Es war schon beeindruckend genug, auf Boroons Rücken zu stehen und die enorme GröÃe dieser Kreatur zu bewundern, aber dieses Spektakel, bei dem der Leviathan fast komplett aus dem Wasser ragte und sich nach dem Mond streckte, überstieg jede Vorstellungskraft.
Das Tier hätte das Schiff leicht zerschmettern können, doch Hap sah mit Erleichterung, dass es sich stattdessen neben ihm ins Meer fallen lieÃ. Im Sinken grub es eine tiefe Furche ins Wasser und wühlte gigantische Wellen auf. Der Anblick war so fantastisch, dass Hap vor Freude schreien wollte. Er fragte sich, ob der Lichtfaden ihn an diese Stelle geführt hatte, damit er den Sprung des Leviathans beobachten konnte. Aber die Aufregung verwandelte sich in Panik, als er die Welle auf sich zurasen sah, die im Näherkommen weiter anstieg und schlieÃlich brach.
Die Welle verschonte das gesamte übrige Schiff und traf nur das Heck. Sie prasselte aufs Deck, schwemmte Hap mit sich und wirbelte ihn hoch in die Luft. Er versuchte zu schreien, aber Wasser füllte seinen Mund. Er griff nach der Reling, doch seine tastenden Finger streiften sie nur. Dann stürzte er, und er wusste, dass er über Bord gegangen war. Er tauchte, umgeben von Luftblasen und Schaum, ins Wasser und die herabstürzende Welle wirbelte ihn so sehr herum, dass er einen Moment lang nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Panik lähmte ihn, bis er spürte, dass sein Körper aufstieg. Er durchpflügte das Wasser mit den Armen, bis er die Oberfläche durchbrach. Dort sah er die Bounder rasch davonsegeln. Als er erneut den Mund öffnete, um zu schreien, traf die nächste Welle sein Gesicht. Er hustete und prustete, ruderte wild mit den Armen und strampelte mit den Beinen, um über Wasser zu bleiben. Als er schlieÃlich genügend Luft bekam, um sich bemerkbar zu machen, war das Schiff bereits weit weg. Und derselbe pfeifende Wind, der es schnell über die Wellen trieb, fegte seine Stimme davon, als er laut um Hilfe schrie.
13
H ap schrie ihnen so lange hinterher, bis seine Stimme nur noch ein schwaches Krächzen war und die Bounder nicht mehr als ein Punkt am Horizont. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Er trieb hilflos auf den Wellen und sah ein blendend helles, weiÃes Licht vor seinem inneren Auge. Irgendein Instinkt sagte ihm, wie er sich durch kreisförmige Bewegungen seiner offenen Hände und leichtes Strampeln an der Wasseroberfläche halten konnte. Doch das Meerwasser schwappte ihm immer wieder in den Mund und er musste andauernd salziges Wasser ausspucken. Trotz seiner Panik dachte er plötzlich: Meine Stiefel! Sie waren mit Wasser vollgelaufen und ihr Gewicht zog ihn abwärts. Er kickte sie von den FüÃen, und gleich wurde es leichter, den Kopf oben zu halten.
Ganz in seiner Nähe dümpelte ein Fass vom Deck der Bounder im Wasser. Da er nicht richtig schwimmen konnte, musste er lange herumplantschen, bis er endlich seine Arme um das Fass legen konnte.
»Dreh um!«, krächzte er dem Schiff hinterher. Er war sich sicher, dass ihnen sein Verschwinden auffallen würde und sie nach ihm suchen kommen würden. Hatte der Steuermann vielleicht gesehen, wie er über Bord ging? War der Wachmann rechtzeitig wach geworden, um es zu bemerken? Er hieb mit der Faust auf das Fass und verfluchte den Lichtfaden, der ihm dieses Schicksal eingebrockt hatte.
Hap schaute nach Osten und sah noch nicht mal eine Andeutung von Tageslicht. Bis zur Dämmerung würde es noch Stunden dauern. Aber in südlicher Richtung schien etwas aus dem Meer aufzuragen. Er fragte sich, ob das ein weiterer Leviathan war, der sich an der Wasseroberfläche ausruhte. Aber das Ding bewegte sich nicht und hatte in seiner Mitte einen niedrigen, gezackten Hügel. Eine Insel, begriff er.
Er drehte das Fass in diese Richtung und begann mit den FüÃen auf das Fleckchen Land zuzustrampeln. An der Stelle, wo er seine Brust an das Fass presste, spürte er einen schmerzhaften Stich: Das Medaillon, das Nima ihm geschenkt hatte, bohrte sich in sein Fleisch. Er dachte an die erstaunliche Perle, die sich darin befand. Was hatte Nima gesagt, als sie ihm das Medaillon überreicht hatte? Die Perle könnte dir eines Tages aus einer schwierigen Situation helfen. Oder vielleicht auch einem Freund, der in Not
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