Die Bücher von Umber: Drachenspiele
Labyrinth, dachte Hap. Er spähte in die Gassen, wo traurige Gestalten auf Türschwellen saÃen oder auf Lumpenhaufen schliefen. Ein Mann döste, den Kopf auf die Arme gelegt, vor sich hin. Als Hap bemerkte, dass einer seiner Arme am Handgelenk endete, begann sein Herz wütend zu pochen. Magador, dachte er. Der Mann, der Sophie verstümmelt hat. Ausgerechnet ihm muss ich begegnen. Er konnte es nicht fassen, dass sie höflich hinter diesem Mann hergingen. Und er begriff auch nicht, wie Umber es fertigbrachte, zu lächeln und wie ein neugieriger Besucher die Sehenswürdigkeiten zu bestaunen.
Die StraÃe beschrieb eine Kurve und dahinter sahen sie den Palast vor sich aufragen. Hap fand, dass er mehr wie eine Festung aussah. Er sollte ganz offensichtlich bedrohlich wirken und wies keinen architektonischen Schmuck auf wie das Juwel Kurahavens.
Ein breites, offenes Tor wurde von einem halben Dutzend Männern bewacht. Als Magador sich näherte, senkten sie die Köpfe. Der Prinz stieg ab und reichte einem der Wachmänner die Zügel. »Hier entlang«, sagte er zu Umber.
Ein kurzer, verruÃter Gang führte sie in einen Saal im Inneren der Festung. Durch die kleinen Fenster drang nur wenig Tageslicht herein und für den Rest der dürftigen Beleuchtung mussten Kerzen sorgen. Die Möbel waren grob gezimmert. An den Wänden hingen keine Teppiche, aber dafür umso mehr Jagdtrophäen. Hap vernahm das leise Summen von Fliegen.
Umber wollte gerade etwas sagen, doch eine Stimme vom anderen Ende des Raums kam ihm zuvor: »Ich wusste, dass du kommen würdest. Du konntest nicht widerstehen, nicht wahr, Umber?«
Hap drehte sich um. Der Mann, der gesprochen hatte, saà in einem Sessel und hatte die FüÃe auf einen Hocker gelegt. Bei seinem Anblick kam Hap ein Wort in den Sinn: Schmal . Er hatte eine schmale Nase in einem schmalen Gesicht, das auf einem schmalen, hageren Körper saÃ. Seine blonden, fast schon weiÃen Haare wiesen seitlich eine dunkle Strähne auf und hingen glatt bis zu den Schultern herab.
Umber sah ihn mit einem aufgesetzten Lächeln an. »Hallo, Hameron.«
17
H ameron schlenderte mit den Händen auf dem Rücken und hüpfenden Schultern auf sie zu. Sein langer grauer Umhang reichte fast bis zum Boden. Das Grinsen in seinem Gesicht hatte einen unschönen Anflug von Spott. »Umber, ich würde sagen, diesmal habe ich dich übertroffen.«
»Und wie das?«, gab Umber zurück.
»Ich erinnere mich an dich«, sagte Hameron mit einem verächtlichen Blick auf Oates. »Umbers Leibwächter, oder? Umber, du hast hier aber wirklich nichts zu befürchten.«
Oates blickte wütend auf den unsympathischen Mann herab. Hameron wandte sich kichernd wieder an Umber: »Bist du verletzt?«
»Ich bin unterwegs gestürzt«, erklärte Umber und betastete seinen Verband. »Aber es ist nichts â¦Â« Er stockte, da Hameron ihm nicht mehr zuhörte. Wie so viele andere vor ihm, glotzte Hameron mit offenem Mund Hap an, als er seine Augen bemerkte.
»Und was ist das ?«, fragte er. »Eine von deinen Entdeckungen?«
»Das ist Happenstance, mein Mündel«, antwortete Umber.
»Dein Mündel?«, fragte Hameron mit einem Seitenblick auf Umber und schürzte die Lippen. »Aber er hat so merkwürdige Augen. Das ist doch sicherlich einer von deinen magischen Bekannten, oder? Wie diese verblüffenden Meereswesen. Wie hieà noch mal diese komische Fischfrau, die auf dem Leviathan umherreist?«
In Hap hatte sich inzwischen mächtig Wut aufgestaut, und die Worte rutschten ihm heraus, bevor er sich zurückhalten konnte: »Ihr Name ist Nima. Und Sie sollten nicht in diesem Ton über sie reden.« Er war sicher, dass er knallrot anlief.
Hameron grinste. »Ganz schön temperamentvoll! Aber du solltest deinem Mündel mal ein paar Manieren beibringen, Umber.«
»Sein Benehmen ist in meinen Augen völlig makellos«, konterte Umber.
Aus einem anderen Gang näherten sich Schritte und vier Diener erschienen. Sie eilten in den Saal, blieben aber kurz darauf stehen, hielten den Blick gesenkt und blinzelten verstohlen zu Magador hin. Hap empfand Mitleid mit ihnen, da er ihr Dilemma erkannte: Wenn sie dabei erwischt wurden, wie sie ihn ansahen, warf der Prinz ihnen wahrscheinlich AnmaÃung vor; aber wenn sie ihm seine Wünsche nicht von den Lippen ablasen, wurden sie
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