Die Bücherdiebin
Mama ihre Mahlzeit und ließ ihren Löffel klappernd in den Suppenteller fallen. Sie unterdrückte ein pappiges Rülpsen und antwortete an seiner statt. »Der Saukerl«, sagte sie. »Weißt du, was er gemacht hat? Er hat all diese stinkenden Zigaretten gerollt, ist damit auf den Markt gegangen und hat sie bei irgendeinem Zigeuner eingetauscht.«
»Acht Zigaretten pro Buch.« Papa schob sich triumphierend eine in den Mund. Er zündete sie an und inhalierte. »Dem Herrgott sei Dank für Zigaretten, was, Mama?«
Mama schenkte ihm nur einen ihrer typischen Blicke, beladen mit Verachtung und gefolgt von der üblichen sparsamen Zuteilung aus ihrem Wortschatz. »Saukerl.«
Liesel wechselte ein beiläufiges Zwinkern mit ihrem Papa und aß ihre Suppe auf. Wie immer lag eines ihrer Bücher neben ihr. Sie konnte nicht leugnen, dass die Antwort auf ihre Frage höchst zufriedenstellend ausgefallen war. Es gab nicht viele Menschen, die behaupten konnten, dass ihre Ausbildung mit Zigaretten bezahlt worden war.
Mama andererseits behauptete, dass Hans Hubermann seine Zigaretten für ein neues Kleid eingetauscht hätte, das sie so dringend brauchte, oder für ein Paar Schuhe, wenn der Saukerl auch nur einen Funken taugen würde. »Aber nein...« Sie leerte die Worte in den Ausguss. »Bevor du mal was für mich tust, rauchst du lieber deine ganze Ration alleine, nicht wahr? Und die vom Nachbarn noch dazu.«
Ein paar Abende später kehrte Hans Hubermann mit einer Schachtel Eier zurück. »Tut mir leid, Mama.« Er stellte die Schachtel auf den Tisch. »Schuhe gab es keine.«
Mama beklagte sich nicht.
Sie trällerte sogar vor sich hin, während sie diese Eier bis an den Rand der Verbrennung briet Es schien ganz so, als ob in Zigaretten großes Glück verborgen lag, und es war eine glückliche Zeit im Haus der Hubermanns.
Sie endete ein paar Wochen später.
die stadtläuferin
Der Niedergang begann mit der Wäsche und schritt schnell voran.
Als Liesel Rosa Hubermann wieder einmal bei ihrer Auslieferung quer durch Molching begleitete, erklärte Ernst Vogel, einer von Rosas Kunden, dass er es sich nicht länger leisten könne, seine Wäsche waschen und bügeln zu lassen. »Die Zeiten«, sagte er entschuldigend. »Was soll ich sagen? Alles wird schwieriger. Jetzt im Krieg müssen wir den Gürtel enger schnallen.« Er schaute das Mädchen an. »Sie bekommen doch bestimmt eine Unterstützung, weil Sie die Kleine aufgenommen haben, oder?«
Zu Liesels Entsetzen war Mama sprachlos.
An ihrer Seite hing ein leerer Sack.
Komm weiter, Liesel.
Es blieb unausgesprochen. Der Ruck ihrer rauen Hand sagte alles.
Vogel rief ihnen von der obersten Treppenstufe aus nach. Er war etwa einen Meter fünfundsiebzig groß, und die schmierigen Haarsträhnen hingen ihm leblos in die Stirn. »Es tut mir leid, Frau Hubermann!«
Liesel winkte ihm zu.
Er winkte zurück.
Mama züchtigte sie.
»Wink diesem Arschloch nicht auch noch«, sagte sie. »Und jetzt beeil dich.«
An diesem Abend, als Liesel in der Badewanne saß, schrubbte Mama sie besonders fest ab und murmelte die ganze Zeit etwas von dem Saukerl Vogel. Alle zwei Minuten äffte sie ihn nach: »Sie bekommen doch bestimmt eine Unterstützung für die Kleine...« Sie beschimpfte Liesels Brust, während sie sie mit der Bürste malträtierte. »Als wärst du so viel wert, Saumensch! Reich werde ich durch dich jedenfalls nicht.«
Liesel saß da und steckte es ein.
Kaum eine Woche nach diesem Ereignis schleifte Mama Liesel in die Küche. »Hör zu, Liesel.« Sie schob sie auf einen Stuhl. »Da du ja ohnehin den halben Tag bloß auf der Straße Fußball spielst, kannst du dich zur Abwechslung auch mal nützlich machen.«
Liesel schaute nur ihre eigenen Hände an. »Womit denn, Mama?«
»Von nun an wirst du die Wäsche holen und bringen. Diese reichen Pinkel werden uns nicht so schnell fallen lassen, wenn du vor ihnen stehst. Wenn sie dich fragen, wo ich bin, dann sagst du ihnen, dass ich krank bin. Und guck traurig, wenn du das sagst. Du bist dürr und blass genug dass sie Mitleid mit dir haben.«
»Herr Vogel hatte kein Mitleid mit mir.«
»Nun...« Ihre Unruhe war offensichtlich. »Die anderen bestimmt. Also, keine Widerrede.« »Ja, Mama.«
Einen Augenblick lang schien es so, als ob ihre Pflegemutter sie in den Arm nehmen oder wenigstens auf die Schulter tätscheln würde.
Gutes Mädchen, Liesel. Gutes Mädchen. Tätschel, tätschel, tätschel.
Sie tat nichts dergleichen.
Stattdessen stand
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