Die Buecherfluesterin
habe? All die Liebe? Blut, Schweiß und Tränen? Die Vergangenheit? Wie konntest du nur?« Noch während ich das ausspreche, wird mir klar, wie kalt Robert sein kann. Bis jetzt war ich mir des Ausmaßes seiner Gleichgültigkeit noch immer nicht ganz bewusst.
» Ich habe nicht mit deinem Einverständnis gerechnet«, erwidert er. » Aber ich habe Lauren versprochen, es wenigstens zu versuchen.«
» Du hast es ihr versprochen?« Meine Stimme wird lauter. » Wie oft willst du mich noch durch die Mangel drehen? Genügt es denn nicht, dass ich fast alles verloren habe, was ich besitze? Dass ich meine Ersparnisse aufbrauchen musste, um die verdammten Anwaltskosten zu bezahlen? Nein, du verfolgst mich auch noch bis ans Ende der Welt.« Beim Aufstehen werfe ich beinahe den Stuhl um.
» Jasmine, bitte. Sei nicht böse auf mich. Ich habe dir ja schon so oft gesagt, wie leid es mir tut. Wirklich.« Er greift so schnell nach meiner Hand, dass ich sie ihm nicht mehr rechtzeitig entziehen kann. Seine Berührung schmerzt wie ein Stich.
» Robert, komm nicht mehr her und ruf auch nicht mehr an.«
» Moment noch. Warte.« Er packt mich am Handgelenk. » Setz dich. Nur eine Minute.«
Ich befreie meinen Arm mit einem Ruck. » Fass mich nicht an. Ich gehe jetzt.«
» Du hast den Rest ja noch gar nicht gelesen. Wir bieten dir eine Alternative an. Wir kaufen deinen Anteil an der Wohnung. Schau.« Er blättert ein paar Seiten um und zeigt mir den markierten Absatz.
Das alles passiert nicht wirklich. Es muss ein böser Traum sein. Ich sehe Robert im Hochzeitsanzug, wie er mir den Ring an den Finger steckt. Robert, der mich fest in seinen Armen hält, an dessen Schulter ich mich kuschele. Robert, der mich löffelweise mit Eiscreme füttert.
» Ist das die Summe?«, frage ich tonlos und starre auf die Seite. » Mein Anteil ist viel mehr wert. Nein, ich weigere mich.«
» Jasmine.«
Aber ich laufe schon zur Tür. Robert springt auf, um seinen Kaffee zu bezahlen. Ich haste die Straße hinunter. Der Wind heult, und Regen peitscht mir ins Gesicht.
» Jasmine, warte!« Er ist dicht hinter mir.
» Nein, Robert.« Als ich die Tür des Buchladens erreiche, bin ich nass bis auf die Haut. Meine Zähne klappern, und ich zittere am ganzen Leibe. » Ich gebe die Wohnung nicht her«, keuche ich. » Ich habe sie geliebt. Sie war mein Zuhause, nicht ihrs. Wir verkaufen, Robert. Du hättest nicht herkommen sollen. Such dir eine andere Wohnung. Und sprich nie wieder mit mir. Wende dich von nun an ausschließlich an meinen Anwalt.«
» Du hattest schon immer einen Dickkopf«, antwortet er.
Ich taumle ins Haus, knalle ihm die Tür vor der Nase zu und schiebe den Riegel vor. Dann lehne ich mich mit dem Rücken an die Tür. Ich rutsche hinunter bis zum Boden und breche in Tränen aus.
Kapitel 24
T
ony schiebt mich in einen durchgesessenen Lehnsessel und kocht mir eine Tasse Kamillentee. Die Kunden beäugen mich sorgenvoll. Er scheucht sie hinaus.
Ich umfasse die Tasse mit beiden Händen und genieße die Wärme. » Danke, Tony. Das ist jetzt genau das Richtige.«
» Wenn du mich fragst, ist dieser egoistische Mistkerl die Tränen nicht wert«, bemerkt er. » Ich habe gleich gemerkt, dass er Probleme machen wird, als er hier reinkam.«
» Ich wünschte, ich hätte das vor der Hochzeit gewusst. Kaum zu fassen, dass ich sogar überlegt habe, ob ich bei ihm bleiben soll.«
Tony nimmt einen feuchten Lappen und wischt die Arbeitsflächen ab.
Obwohl er zwanghaft ordentlich ist, kommt er gegen Tante Rumas Chaos nicht an. » Du meinst, nachdem du rausgefunden hattest…?«
» Ich habe Bücher darüber gelesen, wie eine Ehe einen Seitensprung überstehen kann. Ich dachte, ich könnte vielleicht noch etwas retten. Möglicherweise hatte er mich ja betrogen, weil ich zu langweilig war…«
» Du bist zwar nicht locker genug, aber auf keinen Fall langweilig. So etwas darfst du niemals denken.«
» Danke, Tony. Du bist ein netter Mensch. Wusstest du das?«
» Mehr fällt mir dazu nicht ein. Höchstens noch eine Midlifecrisis.«
Ich umfasse die Tasse so fest, dass sie zu zerbrechen droht. » Daran habe ich auch schon gedacht. Ich habe mich gefragt, ob er vielleicht mehr Aufmerksamkeit brauchte oder ob ich zu unnahbar war. Keine Ahnung, warum er nicht einfach gegangen ist. Allerdings weiß ich nicht, was mehr wehgetan hätte.«
Tony wringt den Lappen im Spülbecken aus und hängt ihn über den Wasserhahn. » War ziemlich mies von ihm, dich zu
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