Die Buecherfluesterin
betrügen.«
Ich trinke die beruhigende Flüssigkeit. Ein paar Kamillenblüten haben sich aus dem Teebeutel befreit und schwimmen in der Tasse. » Er ist ein Narziss, der nur um sich selbst kreist…« Meine Hände zittern so sehr, dass ich mir den restlichen Tee auf den Schoß schütte. Ich springe auf, aber im nächsten Moment ist Tony schon da und wischt mit dem Lappen an meiner Jeans herum.
» Du schaffst das. Tief durchatmen. Du musst an dich selbst glauben. Du bist eine Kämpferin.«
Es schnürt mir die Kehle zu, und wieder treten mir Tränen in die Augen. » Ich fühle mich entsetzlich, und dabei sind wir schon seit einem knappen Jahr getrennt…«
» Es dauert eben alles seine Zeit. Das wird schon wieder. Unternimm doch etwas Schönes. Bungeespringen. Klippentauchen.«
» Ich bin traurig, nicht lebensmüde.« Ich wische mir die Wangen ab. Meine Finger sind mit schwarzer Wimperntusche beschmiert. » Ich würde diesen Schmerz gern einfach überspringen. Ich will das nicht durchmachen.«
» Eines Tages sollen Zeitreisen ja möglich sein, aber im Moment kannst du nichts anderes tun, als es rauszulassen. Schrei. Brüll rum.«
» Ich will nicht schreien und brüllen. Jetzt geht es wieder. Ich räume mal ein paar Bücher weg.« Ich stelle die leere Tasse auf die Anrichte und marschiere hoch erhobenen Hauptes den Flur entlang. In der Ratgeberabteilung steht ein Stapel antiquarischer Taschenbücher in der Ecke. Die Junggesellin. Beziehungslügen. Erste Hilfe für Betrogene …
Ich nehme alle Bücher und werfe sie nacheinander an die Wand. Jedes prallt mit einem dumpfen Knall ab und fällt zu Boden. Die einzige andere Person im Raum, eine Frau mit violettem Hut, sieht mich erschrocken an und hastet hinaus.
Ich werfe weiter mit Büchern und fühle mich bei jedem besser. Ganz unten im Stapel liegt ein Buch mit dem Titel Werden Sie eine bessere Ehefrau.
Ich starre auf das Buch. Einen Moment ist mein Verstand wie leergefegt. Dann reiße ich den Einband ab und fange an, die Seiten, erst einzeln, dann ganze Hände voll, herauszurupfen. Ja, dir werd’ ich’s zeigen. So verhält sich eine gute Ehefrau.
Kapitel 25
D
er hier ist wunderschön«, haucht Gita und entfaltet den roten Sari auf der Glastheke von Krishnas Indische Stoffe in Bellevue. Unser Einkaufsbummel dauert schon den ganzen Vormittag; wir haben jeden Sariladen im Umkreis von einer Autostunde rund um Seattle abgeklappert.
» Ich finde, die Farbe sieht aus wie Blut«, widerspreche ich. » So grell wie eine blutrote Ampel.« Von meiner gestrigen Begegnung mit Robert habe ich noch Kopfschmerzen. Hat er in einem schicken Hotel in Seattle übernachtet, oder ist er in das nächste Flugzeug nach L. A. gestiegen? Zurück zu Lauren. Du hattest schon immer einen Dickkopf, hat er gesagt. Was hat er wohl damit gemeint?
» Er sieht überhaupt nicht aus wie Blut«, protestiert Gita und wirft mir einen finsteren Blick zu. » Auch nicht wie eine Verkehrsampel. Mich erinnert die Farbe eher an Rosen! Einen Blumenstrauß. Mir gefällt sie großartig.«
» Meinetwegen. Du wolltest wissen, was ich davon halte…«
» Ist die Goldkante nicht ein Traum?«
» Sie ist aufgedruckt, nicht eingewebt«, wendet Ma ein.
» Aber der Druck ist ausgezeichnet. Ihr seid beide gegen mich!«
» Möchtest du denn keine richtig eingewebte Kante?«, fragt Ma.
Schmollend greift Gita nach dem nächsten roten Sari und verwirft ihn.
Auf der Fahrt hat sie wie ein Wasserfall ausschließlich über die Hochzeit geredet– auf welches Papier sie die Einladungen drucken lassen und welche Blumen sie bestellen will. Welche Farbe die Tischdecken haben sollen. Ich habe mir vor meiner Hochzeit den Kopf über die gleichen Dinge zerbrochen– über Einzelheiten, die letztlich keine Rolle gespielt haben.
» Der hier ist nicht aus Seide«, stellt Ma fest und reibt einen rosafarbenen Sari zwischen den Fingern.
Die Frau hinter der Theke ist eine rundliche, hellhäutige Schönheit, die einen bananengelben Sari und Unmengen von Modeschmuck trägt. Sie wedelt mit der Hand. » Chiffon ist derzeit der letzte Schrei«, verkündet sie.
» Chiffon geht in Ordnung. Ob Seide oder nicht, ist mir egal.« Gita hält den Sari ans Licht. Der Stoff ist durchscheinend. Nicht jugendfrei, wenn sie nichts darunter anzieht. » Er fühlt sich toll an und sieht auch so aus. Das wäre doch eine Alternative? Wird Dilip mich darin nicht hinreißend finden?«
» Er wird denken, dass du wie ein Kaugummi aussiehst«, sagt Ma.
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