Die Büchse der Pandora
Bell.«
»Warum bist du heute Reginald Fortune?«
»Genaugenommen, weil ich Appetit auf frischgebackene Brötchen habe.«
»Das ist die angenehme Seite der Sache«, meinte Tommy. »Aber ich denke an die andere: Du wirst reihenweise grausam zugerichtete Gesichter und Leichen zu beschauen haben.«
Als Antwort warf ihm Tuppence einen Brief über den Tisch zu. Tommys hochgezogene Augenbrauen drückten sein Erstaunen aus.
»Randolph Wilmott, der amerikanische Botschafter. Ich wüsste gern, was der von uns will.«
»Morgen um elf werden wir es wissen.«
Pünktlich zur angegebenen Stunde wurde Mr Randolph Wilmott, Botschafter der Vereinigten Staaten, in Mr Blunts Büro geführt. Er räusperte sich und begann in wohl gesetzten Worten zu sprechen:
»Ich bin zu Ihnen gekommen, Mr Blunt – ich spreche doch mit Mr Blunt persönlich, nicht wahr?«
»Gewiss«, sagte Tommy. »Ich bin Theodor Blunt, der Leiter der Firma.«
»Ich verhandle immer gern mit den leitenden Leuten persönlich«, erklärte Mr Wilmott. »Es gewährt in jeder Weise mehr Befriedigung. Was ich sagen wollte, Mr Blunt – diese Geschichte geht mir auf die Nerven. Sie ist nicht ernst genug, um Scotland Yard damit zu behelligen – ich habe keinen Penny bei der Sache verloren, und das Ganze ist wahrscheinlich nichts als ein Irrtum. Aber ich sehe nicht so recht, wie dieser Irrtum zu Stande gekommen ist. Es handelt sich nicht um ein Verbrechen, nehme ich an, aber ich möchte der Geschichte trotzdem auf den Grund gehen. Es regt mich auf, wenn ich eine Sache nicht verstehen kann.«
»Durchaus begreiflich«, sagte Tommy.
Mr Wilmott sprach weiter, langsam und gemessen und mit großer Ausführlichkeit. Endlich gelang es Tommy, auch einmal zu Wort zu kommen.
»Wenn ich recht verstehe, lief die Sache so: Sie sind vor einer Woche mit dem Überseedampfer ›Nomadic‹ in England eingetroffen. Irgendwie ist Ihr Handkoffer mit dem eines anderen Herrn, Mr Ralph Westerham, dessen Namen die gleichen Initialen hat wie der Ihre, vertauscht worden. Sie nahmen Mr Westerhams Handkoffer und er den Ihren. Mr Westerham entdeckte den Irrtum sofort, schickte Ihren Koffer in die Botschaft und ließ seinen eigenen abholen. Stimmt es soweit?«
»Ja, genauso hat es sich abgespielt. Die beiden Handkoffer sahen sich offensichtlich zum Verwechseln ähnlich, und da auch die Initialen R. W. die gleichen waren, konnte ein Irrtum leicht passieren. Ich selbst wusste nichts von der Sache, bis mein Diener mir davon berichtete und mitteilte, dass Mr Westerham – er ist Senator und ein Mann, vor dem ich größte Hochachtung empfinde – mir meinen Koffer zurückgeschickt habe und seinen dafür abholen ließ.«
»Ich verstehe nicht recht, was – «
»Sie werden gleich verstehen. Das ist erst der Anfang. Gestern bin ich zufällig mit Senator Westerham zusammengetroffen und habe die Sache im Scherz erwähnt. Zu meiner größten Überraschung schien er nicht zu wissen, wovon ich sprach, und als ich es ihm erklärte, stritt er die ganze Angelegenheit energisch ab! Sein Koffer sei nicht mit dem meinen verwechselt worden – es sei überhaupt kein derartiger Handkoffer unter seinem Reisegepäck gewesen.«
»Wie merkwürdig!«
»Ja, Mr Blunt, es ist wirklich eine merkwürdige Sache. Ich kann mir keinen Reim darauf machen. Wenn jemand meinen Koffer stehlen wollte, wäre das ganz leicht zu bewerkstelligen gewesen – ohne all das Getue. Und man hat ihn ja gar nicht gestohlen, sondern heil und ganz zurückerstattet. Andrerseits, wenn man ihn aus Versehen genommen hat – wozu dann die Berufung auf Senator Westerham? Es ist eine verrückte Geschichte – aber der Neugier halber möchte ich ihr gern auf den Grund gehen. Ich hoffe, der Fall ist Ihnen nicht zu albern, um sich seiner anzunehmen?«
»Durchaus nicht. Es ist ein interessanter kleiner Vorfall, der sich vielleicht, wie Sie schon sagten, ganz einfach erklären lässt, dessen Umstände aber doch zu denken geben. Vor allem müssten wir herausfinden, warum die Koffer vertauscht wurden, wenn hier überhaupt eine absichtliche Verwechslung stattfand. Sie sagen, dass vom Inhalt Ihres Handkoffers nichts fehlte, als er Ihnen wieder zugestellt wurde?«
»Mein Diener behauptete, es sei alles in Ordnung gewesen. Er muss es wissen.«
»Was war darin, wenn ich fragen darf?«
»Hauptsächlich Schuhe.«
»Schuhe!«, sagte Tommy entmutigt.
»Ja«, sagte Mr Wilmott. »Schuhe – sonderbar – wie?«
»Verzeihen Sie die Frage, aber waren nicht
Weitere Kostenlose Bücher