Die Büchse der Pandora
abzuholen – aber ich kann mich natürlich geirrt haben.«
»Wie sah der Mann aus?«
»Ein Mann über vierzig. Grauhaarig. Sehr gute Manieren, meiner Ansicht nach. Höchst anständig. Er war Senator Westerhams Diener, soviel ich weiß. Er ließ Mr Wilmotts Koffer hier und nahm den anderen mit.«
»War der Koffer ausgepackt worden?«
»Welcher, Sir?«
»Ich meine den Koffer, den Sie vom Schiff mitgebracht haben. Ich möchte diese Frage aber auch auf den anderen, Mr Wilmotts eigenen Koffer, beziehen. Gab es Anzeichen dafür, dass Mr Wilmotts Koffer inzwischen ausgepackt worden war?«
»Ich glaube nicht, Sir. Es war alles noch so, wie ich es auf dem Schiff verpackt hatte. Meiner Meinung nach hat der Herr, der den Koffer vertauscht hat, ihn bloß geöffnet, entdeckt, dass er nicht ihm gehörte, und ihn wieder geschlossen.«
»Es fehlte nichts? Auch keine Kleinigkeit?«
»Ich glaube nicht, Sir. Nein, ganz bestimmt nicht.«
»Und nun zum anderen Koffer. Hatten Sie schon begonnen, ihn auszupacken?«
»Genau gesagt, Sir, ich war gerade dabei, ihn aufzumachen, als Senator Westerhams Diener kam. Ich hatte eben die Riemen gelöst.«
»Haben Sie in den Koffer hineingeschaut?«
»Wir haben zusammen den Deckel hochgehoben, um uns zu vergewissern, dass diesmal kein Irrtum mehr möglich war. Der Mann sagte, es sei alles in Ordnung, schnallte ihn wieder zu und trug ihn fort.«
»Was war drin? Auch Schuhe?«
»Nein, Sir, hauptsächlich Toilettengegenstände, glaube ich. Ich habe zum Beispiel eine Dose Badesalz gesehen.«
Tommy wechselte das Thema.
»Hat jemand auf dem Schiff in der Kabine des Botschafters herumgestöbert?«
»O nein, Sir!«
»Ist Ihnen nichts aufgefallen? Nichts Verdächtiges oder Ungewöhnliches?«
Ich wüsste selbst gern, was ich damit meine, dachte Tommy amüsiert. Nichts »Verdächtiges« – leeres Geschwätz!
Aber der Mann vor ihm zögerte mit seiner Antwort.
»Jetzt, da Sie mich darauf aufmerksam machen – «
»Ja?«, fragte Tommy schnell.
»Ich glaube nicht, dass es irgendetwas damit zu tun haben kann – aber da war eine junge Dame – «
»Ja? Eine junge Dame, sagten Sie? Und was hat sie getan?«
»Sie fiel in Ohnmacht, Sir. Eine reizende junge Dame, Miss Eileen O’Hara hieß sie. Sehr klein und zierlich, mit schwarzen Haaren. Sie sah ein bisschen ausländisch aus.«
»Ja und?«, drängte Tommy.
»Wie gesagt, es wurde ihr übel. Gerade vor Mr Wilmotts Kabine. Sie bat mich, den Arzt zu rufen. Ich brachte sie zum Sofa und machte mich dann auf den Weg, um den Arzt zu suchen. Es dauerte eine Weile, bis ich ihn fand, und als ich ihn dann in die Kabine brachte, hatte die junge Dame sich schon wieder erholt.«
»Aha!«, sagte Tommy.
»Sie denken doch nicht, Sir – «
»Ich weiß noch nicht, was ich denken soll«, erwiderte Tommy unverbindlich. »Reiste diese Miss O’Hara allein?«
»Ja, ich glaube schon.«
»Haben Sie sie nach der Landung noch einmal gesehen?«
»Nein, Sir.«
Ein paar Minuten lang saß Tommy schweigend da und hing seinen Gedanken nach. Dann sagte er:
»Ich glaube, das ist alles. Vielen Dank, Richards.«
In das Büro der Detektivagentur zurückgekehrt, erzählte Tommy seiner Frau das Gespräch, das er mit Richards gehabt hatte. Tuppence hörte aufmerksam zu.
»Was hältst du davon, Tuppence?«
»Oh, mein lieber Junge, wir Ärzte sind diesen plötzlichen Ohnmachtsanfällen gegenüber immer sehr skeptisch. Sie sind so furchtbar bequem. Und Eileen O’Hara – ein sehr ungewöhnlicher irischer Name, findest du nicht auch?«
»Wenigstens eine Spur, der wir nachgehen können. Weißt du, was ich tun werde? Ich gebe eine Anzeige auf.«
»Wie bitte?«
»Ja. Ich werde um Auskünfte über eine gewisse Miss Eileen O’Hara bitten, die an dem und dem Tag mit dem und dem Schiff in England angekommen ist. Entweder antwortet sie selbst, wenn sie nichts zu verheimlichen hat, oder sie schickt einen Boten, um uns Auskunft zu geben. Vielleicht kommen wir dann mit unseren Ermittlungen weiter.«
»Oder wir erreichen das Gegenteil und warnen diese Frau, sodass sie vor uns auf der Hut sein wird.«
»Tja«, sagte Tommy, »etwas muss man eben riskieren.«
»Ich kann immer noch nicht verstehen, warum man die Koffer vertauscht hat«, meinte sie stirnrunzelnd. »Was für einen Vorteil verspricht sich ein Dieb davon, einen Diplomatenkoffer für zwei Stunden auszuleihen, um ihn dann unversehrt zurückzuerstatten? Wenn der Koffer Dokumente enthalten hätte, die man
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