Die Burg Der Abenteuer
führte. Sie stiegen hinauf und kamen auf eine Plattform, deren Mauer von Schießscharten durchbro-chen war.
Überwältigt von der großartigen Aussicht, die sich ihnen bot, starrten die Kinder schweigend hinunter. Sie waren noch niemals auf einem so hohen Turm gewesen, hatten noch nie eine so wunderbare Fernsicht genossen.
Da war die ganze weite Welt vor ihnen ausgebreitet und glitzerte im Sonnenschein. Tief, tief unten lag das Tal, und der silberne Fluß schlängelte sich wie eine glänzende Schlange hindurch. Die wenigen Häuser sahen wie Spielzeug aus.
»Seht nur die Berge dort drüben!« rief Jack. »Hinter ihnen sind wieder Berge, und hinter denen noch mehr Berge — es nimmt kein Ende!«
Tassie war starr vor Staunen. Sie hätte niemals gedacht, daß die Welt so groß sein könnte. Von dem Turm aus schaute sie über das ganze weite Land, das wie eine lebendige Karte vor ihr ausgebreitet war. Lucy war nahe daran, in Tränen auszubrechen. Es war einfach zu schön!
»Was für ein wunderbarer Platz für einen Wachtpo-sten!« sagte Philipp. »Von hier oben konnte man den Feind schon erspähen, wenn er noch meilenweit entfernt war. Seht mal, ist das nicht Quellenhof dort unten zwischen den Bäumen?«
Wie ein Spielzeug lag das Häuschen unter ihnen auf dem Hang. »Ach, könnten wir doch Mutter mal hier heraufbringen!« sagte Dina. »Das würde ihr auch gefallen.«
»Seht! Seht! Da sind die Adler wieder!« rief Jack und zeigte in die Höhe, wo die beiden großen Vögel zwischen den Wolken ihre Kreise zogen. »Wollen wir nicht hier oben auf dem Turm etwas essen? Wir können dann die schöne Aussicht genießen und gleichzeitig meine Adler beobachten.«
»O ja!« riefen die andern wie aus einem Mund. Und Kiki, der ein Freund von Chören war, stimmte natürlich mit ein.
»Das arme Schnäuzchen wird sich sicher furchtbar einsam fühlen«, sagte Philipp. »Ich wünschte, wir hätten ihn mitnehmen können. Aber der Weg über das Brett war zu gefährlich. Hoffentlich läuft er nicht davon!«
»Du weißt doch ganz genau, daß er das nicht tut«, meinte Dina. »Von dir läuft ja kein Tier fort — leider! Sag mal, Philipp, hast du etwa diese gräßliche Kröte mitgebracht? Ja, wirklich! Da guckt sie ja aus deinem Pullover!
Ich will aber nicht hierbleiben, wenn sie in der Gegend herumkraucht!«
»Fangt um Himmels willen keinen Streit hier oben an!«
rief Jack ganz entsetzt. »Sonst fällt noch einer von euch über die Brüstung. Dina, setz dich hin!«
»Du hast mir gar nichts zu befehlen!« flammte Dina auf.
»Wo ist denn der Rucksack, Dina?« versuchte Lucy das aufgebrachte Mädchen abzulenken. »Ich sterbe vor Hunger!«
Dina entfernte sich so weit wie möglich von ihrem Bruder, öffnete den Rucksack und brachte zwei große Pa-kete zum Vorschein. Auf dem einen stand »Mittag« und auf dem andern »Tee«.
»Steck das Teepaket zurück!« sagte Jack. »Sonst vertil-gen wir das auch noch. Ich habe einen Bärenhunger!«
Dina verteilte belegte Brote, Kuchen, Obst und Schokolade. Dann nahm sie eine Flasche aus dem Rucksack und füllte für jeden einen Papierbecher mit Zitronenlimo-nade.
»Wir haben schon oft draußen im Freien gegessen«, meinte Philipp und biß herzhaft in ein Schinkenbrot, »aber noch niemals an einem so ungewöhnlichen Ort. Diese Aussicht macht mich beinahe schwindlig.«
»Es ist schön, hier zu sitzen und zu futtern und dabei auf die Berge und den Fluß unten im Tal zu schauen«, bemerkte Lucy. »Ich denke mir, der alte Mann, von dem Tassie erzählt hat, muß diese Burg wegen der schönen Aussicht gekauft haben. Ich würde es auch tun, wenn ich Geld genug hätte.«
Sie aßen und tranken nach Herzenslust. Auch Kiki bekam seinen Teil und vertilgte schmatzend belegte Brote, für die er eine Vorliebe hatte. Dann begann er auf der Mauerbrüstung einherzuspazieren und balancierte, zuweilen mit dem Kopf nach unten, auf dem äußersten Rande entlang.
Die Kinder beobachteten ihn mit Vergnügen, während sie ihren Kuchen verzehrten. Da stieß Kiki plötzlich einen lauten Schrei aus und fiel über die Brüstung in die Tiefe.
Entsetzt sprangen die Kinder auf. Aber im nächsten Augenblick setzten sie sich verlegen lächelnd wieder hin.
Wie dumm sie waren! Natürlich hatte Kiki sofort, als er hinunterfiel, seine Flügel ausgebreitet und schwebte in der Luft!
»Kiki, du kleiner Idiot! Du hast mich schön erschreckt!«
sagte Dina. ,,Na, seid ihr nun alle satt? Dann werde ich das Butterbrotpapier und die
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