Die Burg Der Abenteuer
sie hinaus in die Sonne. Schnäuzchen trabte dicht hinter Philipp her und knabberte zart an seinen Fersen, wenn der Knabe stehenblieb. Er hielt sich vorsichtig von Jack fern, denn sobald er sich ihm näherte, kam Kiki wütend auf ihn herabgeschossen und hackte mit seinem krummen Schnabel nach ihm.
Die Jungens gingen in den Schuppen, in dem der Wagen stand. Und dort fanden sie genau das, was sie suchten, ein starkes Brett, das lang genug war, um als Brücke zwischen dem Felsen und dem Fensterschlitz zu dienen. »Ganz hübsch schwer«, meinte Jack. »Wir werden uns beim Tragen abwechseln müssen. Aber es hat keinen Zweck, ein kleineres zu nehmen, das reicht dann womöglich nicht.«
Nun kamen die Mädchen in den Garten, und die Jungens zeigten ihnen das Brett. In der Nacht hatte Lucy den festen Entschluß gefaßt, sich nicht auf gefährliche Klet-tertouren und Entdeckungsreisen in der Burg einzulas-sen. Aber jetzt beim hellen Tageslicht änderte sie ihren Entschluß wieder. Es war ja ganz undenkbar, daß sie bei einem Abenteuer fehlen sollte!
»Mutter, könnten wir wohl heute den ganzen Tag fort-bleiben?« fragte Philipp. »Jack will seinen Fotoapparat mitnehmen. Wir wissen jetzt ziemlich sicher, wo die Adler ihr Nest haben, und werden wahrscheinlich ein paar gute Aufnahmen von ihnen machen können.«
Die Mutter war einverstanden. »Es ist ein herrlicher Tag, so recht für einen Ausflug geeignet«, sagte sie.
»Jack, ruf Kiki von dem Marmeladentopf zurück! Ich werde es nicht länger dulden, daß der Vogel bei Tisch sitzt, wenn du ihn nicht besser erziehst! Gestern beim Tee hat er fast die ganze Himbeermarmelade verputzt.«
»Nimm deinen Schnabel aus der Marmelade, Kiki!« rief Jack streng. Der Papagei zog sich beleidigt auf Jacks Schulter zurück. Verärgert darüber, von dem Marmeladentopf vertrieben zu sein, stierte er Frau Mannering haßerfüllt an und äffte ihr nach, wie sie ihren Toast knabberte.
Frau Mannering mußte lachen. »Ihr geht doch nicht über den Erdrutsch, nicht wahr?« fragte sie.
Die Kinder schüttelten die Köpfe. »Nein, Mutter, Tassie hat uns einen andern Weg gezeigt. Ach, da ist sie ja!
Tassie, hast du schon gefrühstückt?«
Tassie guckte durch das Küchenfenster. Ihre schwarzen Augen blitzten zwischen dem wirren Haar. Frau Mannering seufzte. »Ich hätte mir die Mühe sparen können, sie zu baden. Sie ist schon wieder ebenso schmutzig wie vorher. Ich dachte, es würde ihr gefallen, sauber zu sein.«
»Ach wo!« sagte Dina. »Ihr gefiel nur der schreckliche Karbolgestank. Wenn du willst, daß Tassie sich waschen soll, mußt du ihr Seife schenken, die stark nach Karbol riecht.«
Es war anscheinend schon einige Zeit her, daß Tassie gefrühstückt hatte. Sie kletterte zum Fenster hinein und ließ sich von Philipp ein Stück Toast mit Marmelade geben. Kiki, der Toast mit Marmelade sehr gern mochte, rückte sofort erwartungsvoll zu ihr hinüber. Und Tassie teilte brüderlich mit dem Papagei.
Gleich nach dem Frühstück machten sich die Kinder auf den Weg. Tassie ging stolz mit Kiki auf der Schulter voran. Dina hatte den Rucksack auf dem Rücken. Dann kam Lucy mit Jacks wertvoller Kamera. Und die beiden Jungens trugen das Brett.
»Führe uns den kürzesten Weg, Tassie!« bat Jack.
»Dieses Brett ist furchtbar schwer. Hör mal, Philipp, hast du auch daran gedacht, einen Strick mitzunehmen?«
»Ja, ich habe mir einen um die Hüfte geschlungen«, sagte Philipp. »Hoffentlich ist er lang genug.
Schnäuzchen, komm mir nicht immer unter die Füße! Ich kann dich nicht tragen, wenn ich das schwere Brett rauf schleppen muß.«
Unterbrochen von vielen Ruhepausen, keuchte die kleine Gesellschaft den steilen Berg zur Burg empor. Jack schaute dauernd nach den Adlern aus, konnte sie aber nicht entdecken. Kiki entfernte sich einmal, um ein paar Worte mit den Krähen zu wechseln, kam aber bald wieder auf Tassies Schulter zurück. Er konnte nicht begreifen, warum sie Schuhe um den Hals trug, pickte neugierig an den Schuhsenkeln und versuchte sie herauszuziehen.
Endlich erreichten die Kinder die Burg und gingen nach hinten herum, wo die hohe Mauer neben dem Berg emporragte. Aufatmend warfen die Jungens das Brett hin, um ein wenig zu verschnaufen. Dann gingen sie in den Tunnel weg. Nach dem reinen Heideduft draußen emp-fanden sie die Luft hier drin als sehr muffig. Bald befanden sie sich unter dem schmalen Fenster. »Tassie, geh du zuerst hinauf und mach das Seil an einer starken Wurzel fest!«
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