Die Burg der flammenden Herzen
machen.”
Beatrice nickte und rückte den Stuhl von der Wand ab. Cecilia nahm den Kamm, den sie aufs Bett gelegt hatte, und stellte sich hinter die Schwester. Mit sanften Berührungen glitten ihre Finger durch deren Haar. Wohlbehagen durchströmte Beatrice. Sie hatte es immer schon geliebt, wenn ihre Schwester oder Emma ihr das Haar kämmten; beide übten eine beruhigende Wirkung auf sie aus.
Eine einzelne Locke fiel ihr über die Schulter und glänzte golden im Kerzenschein. Cecilias Hand, deren Fingerspitzen schwielig vom Lautespielen waren, strich die Locke zurück.
“Immer schon habe ich mir gewünscht, ich hätte dein Haar”, sagte Cecilia und zog den Kamm vom Haaransatz bis hinunter zu den Spitzen, wobei sie Beatrice’ Rücken streifte.
Als Beatrice den Kamm spürte, wich das letzte bisschen Anspannung aus ihrem Körper. Sie brauchte einen Augenblick, ehe sie etwas erwidern konnte.
“Weil es blond ist?”
“Und gelockt.”
“Aber dein Haar ist seidenglatt!” Fürwahr, Cecilia war dunkelhaarig, aber ihr Haar war fest und glänzend. Es fühlte sich kühl und seidig an. “Und ich wollte immer dein Haar haben.”
Ihre Schwester lächelte. “Du kannst doch nicht ein Spatz wie ich sein wollen.”
“Papa hat dunkles Haar.”
“Ah.”
Während Cecilia stets ihrer Mutter näher gestanden hatte, war Beatrice immer der Sonnenschein ihres Vaters gewesen. Doch jene Tage schien eine andere Person und nicht sie selbst erlebt zu haben.
In einem langsamen, einschläfernden Rhythmus glitt der Kamm immer wieder durch ihr Haar. In die Stille hinein sagte Beatrice: “Ich habe mit Sebastian gesprochen.”
Cecilia hielt inne. “Wann?”
Beatrice öffnete die Augen. “Etwa vor einer Stunde. Nachdem ich euch verlassen hatte.”
Erneut fuhr Cecilia mit dem Kamm sanft durch das Haar. “Was hast du ihm gesagt?”
Sie erinnerte sich nicht an die Worte, nur an das flammende Blau von Sebastians Augen. Einmal war er wütend geworden, wütend genug, um sie zusammenzucken zu lassen, doch sie hatte ihn nicht gefürchtet. Auch wenn es klüger wäre, ihn zu fürchten – sie konnte es offenbar nicht.
“Beatrice, was hast du ihm gesagt?”
“Ich kann mich nicht erinnern.” In ihrem Gedächtnis war nichts mehr außer strahlend blauen Augen.
“Und was hat er zu dir gesagt?”
“Er sprach über Sir George.” Nein, er hatte nicht gesprochen, sondern sie wütend angefahren. Und dennoch hatte sie ihn nicht gefürchtet.
“Und was hast du geantwortet?” Cecilia fuhr unbeirrt mit dem gleichmäßigen Kämmen fort, und ihre Stimme war so ruhig, als sprächen sie über das Wetter.
“Ich sagte ihm, ich würde keine Sünde begehen, um einem Mann Vergnügen zu bereiten.” Oder um Missfallen zu erregen. Kurz nach Thomas’ Tod hatte Sir George Conyers ihr eine Nachricht zukommen lassen, mit der dringenden Bitte, sie möge sich mit ihm treffen. Beatrice hatte diese Nachricht, zusammen mit all den nachfolgenden, unbeantwortet zurückgeschickt. Sie hatte mit ihm und allem, was er in ihrem Leben bedeutet hatte, abgeschlossen.
“Was hat er dazu gesagt?” fragte Cecilia so ruhig wie zuvor. Ihre Stimme verriet nichts weiter als leidenschaftsloses Interesse. Wie leicht es war, jemandem zu antworten, der sich nicht über das aufregte, was man sagte.
War ihre Schwester deshalb eine so gute Zuhörerin, da ihre Worte sie weder erschreckten noch aufwühlten? Mit ihr zu sprechen war wie eine Beichte, jedoch ohne die Last der Reue oder den Preis der Buße. Alles, was sich in Beatrice aufgestaut hatte, drängte nun mit Macht hinaus, ohne dass sie wusste, wie sie mit all dem zurechtkommen sollte. Sicher würde Cecilia einen Weg finden, wie man ihr helfen könnte.
“Er hat gesagt, ich habe mich verändert.” Sie beugte sich vor und hielt sich die Hände vors Gesicht. “In weniger als einem Monat werden wir heiraten. Wie sollen wir bis dahin lernen, nicht immer nur zu streiten?”
“Ich denke, die Hochzeit wird nicht vor Michaelis stattfinden”, meinte Cecilia.
Beatrice richtete sich auf. “Erst Ende September? Warum so spät?” Obwohl sie wusste, dass sie und Sebastian Zeit brauchten, um zu lernen, gut miteinander auszukommen, wollte sie keinesfalls warten, schon gar nicht zwei Monate. Sie war nicht frei, würde es nie sein. Und daher wollte sie auch nicht die Zeit haben, darüber nachdenken zu können, wie es wohl sein mochte, wenn sie unverheiratet wäre.
“Du bist erst seit kurzem Witwe. Es muss ausreichend Zeit
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