Die Burg der flammenden Herzen
Fingern abzählen und behaupten können, der Junge stamme von Thomas Manners ab. Was macht es schon aus, dass du ihn zwar für dich beanspruchst, die Leute ihn aber hinter deinem Rücken Bastard schimpfen?”
Der ruhige, nachdenkliche Tonfall des Earl ärgerte Sebastian. Insbesondere, weil er erkannte, dass er Wednesfields Spott verdiente. Seine Behauptung war dumm gewesen. Und dennoch, zwei Monate? “Warum so lange, Mylord? Beatrice ist bereits seit über zwei Wochen verwitwet.”
“Bist du so versessen darauf?” fragte der Earl und hob verwundert die Brauen.
Etwas in den dunklen Augen des Earl verunsicherte Sebastian, und er beschloss, sich zurückzuhalten. “Nein, nur überrascht. Aber ich verstehe, was Ihr meint. Michaelis sei es.”
Lord Wednesfield lächelte. “Das war noch das Einfachste, mein Junge.” Das Lächeln wurde breiter. “Ich fürchte, der Rest wird nicht so einfach vonstatten gehen.” Er setzte den Bierkrug an die Lippen und nahm einen kräftigen Schluck.
Die Anspannung, die Sebastian bei seiner Vorahnung verspürt hatte, ließ nach. Das Trinken war ein Schachzug des Earl, der den anderen glauben machen sollte, er sammele seine Gedanken, obgleich er sich in Wahrheit bereits jedes einzelne Wort zurechtgelegt hatte. Ein Gefühl von Zuneigung und Bewunderung, das schon immer seine Beziehung zum Earl bestimmt hatte, durchströmte Sebastian auch jetzt wieder.
Wednesfield setzte den Krug ab und seufzte. Mit dem Handrücken wischte er sich über den Mund. “Es ist nicht richtig von mir, schlecht über einen Verstorbenen zu sprechen. Auch über deinen Vater sollte ich zu niemandem ein böses Wort verlieren.”
Was hatte dies mit Beatrice und ihm und ihrer Hochzeit zu tun? Sebastian schwieg und wartete, dass der Earl nach der überflüssigen Einleitung nun auf das Wesentliche zu sprechen kam.
“Ich habe es dir schon hundertmal gesagt – Landbesitz ist der wahre Reichtum.”
Hundertmal? Das hatte er schon tausendfach von ihm gehört. Jedes Mal, wenn sein Vater einen weiteren Hof oder ein weiteres Stück Land veräußert hatte, waren die Worte des Earl in sein Bewusstsein gedrungen. Und wenn er daran dachte, was sein Vater von Benbury übrig gelassen hatte, riefen Wednesfields Worte eine tiefe Verbitterung in ihm hervor. Wenn Landbesitz der wahre Reichtum war, so hatte Lord Benbury seinen Sohn beinahe mittellos gemacht. Gott und den Heiligen sei es gedankt, dass sein umsichtiger Onkel Henry Isham eingeschritten war.
“Als dein Vater zu mir kam und mir das Landhaus in Herron anbot, habe ich versucht, ihn von dem Verkauf abzuhalten. Ich habe mit Engelszungen auf ihn eingeredet. Doch er wollte nicht auf mich hören, Sebastian, und daher habe ich ihm letzten Endes das Land abgekauft. Ich dachte, wenn ich es hätte, wärest du eines Tages in der Lage, es von mir zurückzukaufen.”
“Vielleicht, Mylord.”
In Herron, einem kleinen, reizvollen Landgut inmitten von Feldern und Wiesen, war er geboren worden; dieses Herrenhaus hatte ihm immer am besten gefallen, und er hatte es tief bedauert, als es verkauft wurde. Das Gut hatte stets beträchtliche Erträge abgeworfen, und gewiss hatte sich der Gewinn unter der Hand des Earl noch steigern lassen. Herron eines Tages zurückzukaufen lag gewiss jenseits seiner finanziellen Möglichkeiten.
“Ich denke, Herron war nicht das einzige Gut, das dein Vater veräußert hat. Vergib mir, aber er war ein Narr.”
Das war er, Mylord.
Sebastian brachte die Worte nicht über die Lippen, sosehr sie auch der Wahrheit entsprachen.
“Ich kann nicht alles wieder beschaffen, was er verkauft hat. Herron aber soll Beatrice’ Mitgift sein.”
“Herron, Mylord?” Hatte er das richtig gehört? Sein Herz begann heftig zu pochen.
“Unter einer Bedingung”, fuhr der Earl fort, “von der ich unter keinen Umständen abrücken werde. Das Gut fällt an mich oder meine Erben zurück, sollte Beatrice kinderlos sterben.”
“Mylord, wie das? Eure Tochter kann sehr wohl unfruchtbar sein. Es ist sicher, dass sie ihrem verstorbenen Gemahl keine Kinder gebar.” Gott helfe ihm, wenn es stimmte – denn er konnte sich keine kinderlose Frau leisten.
Der Earl sah ihn finster an. “Du hast dich vor einigen Jahren aus einer Laune heraus an sie gebunden, Benbury, und jetzt wagst du es, dich über Beatrice’ Mitgift zu beschweren. Ich schulde dir nichts.”
Sebastian streckte die Arme aus. “Dann gebt mir nichts. So werde ich zumindest alles, was ich habe, mein Eigen
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