Die Burg der flammenden Herzen
erinnerte.
“Mmmh.” Henry verlagerte sein Gewicht und glättete die Falten seines langen Gewandes. “Ich vermute, du hast deine Mutter nicht gefragt.”
“Nein, Onkel, das habe ich nicht getan.” Er zog in Betracht anzumerken, dass seine Mutter zu weit entfernt wohnte, um sie zu fragen, verwarf den Gedanken indes sofort wieder. Henry wusste so gut wie er, wo seine Mutter lebte.
“Wann heiratest du?”
“Zu Michaelis”, antwortete Sebastian.
“So spät?” fragte Anne versonnen.
“Sie ist gerade erst verwitwet”, erwiderte ihr Vater ungehalten. “Unterbrich uns nicht, Mädchen.”
Henrys ungewohnt scharfer Zurechtweisung folgte ein unangenehmes Schweigen. Schließlich meinte Sebastian versöhnlich: “Ich bitte euch, als meine Gäste zur Hochzeitsfeier zu kommen.”
Henry nickte. “Du benötigst gewiss eigene Zeugen.”
“Ich würde mich freuen, wenn Ihr in jedem Fall anwesend wäret”, fügte Sebastian hinzu und sah Henry an. “Und wenn es Euch auskommt, würde ich gerne mit Euch über geschäftliche Dinge sprechen.”
Wenn sein Onkel überrascht war, so verbarg er es geschickt und nickte bloß, als ob er mit dieser Bitte gerechnet hätte. Vermutlich hatte er das tatsächlich, denn ihm entging nur wenig.
“Warum nicht gleich? Komm mit mir in mein Geschäftszimmer.”
Sie gingen in eine kleine Kammer, die hinter der Halle lag. Der Raum war voller Tische, auf denen sich Rechnungsbücher türmten, so dass man sich kaum noch bewegen konnte. Nachdem Henry ein paar Talglichter angezündet hatte, ließ er sich auf einen Stuhl vor dem größten Tisch fallen und wies seinem Neffen einen Stuhl in der Ecke zu. Sebastian zog ihn näher an den Tisch und nahm gegenüber seinem Onkel Platz.
Henry sagte kein Wort und wartete. Seine Geduld erinnerte Sebastian an den Earl und dessen Schachzüge. Wie sollte es auch anders sein? Sowohl Lord Wednesfield als auch Isham hatten ihn abwechselnd zu einem ehrenhaften Mann erzogen. Sie ähnelten einander.
“Ihr werdet mich einen Narren schelten, Onkel, wenn ich Euch alles erzählt habe.”
“Vielleicht. Was hast du getan, dass ich dich so nennen müsste?”
“Es steckt mehr hinter meiner Verlobung als der Wunsch, eine treffliche Partie zu machen.”
“Deine Mutter schrieb mir, dass du die Absicht hegst, um die Hand der jüngeren Wednesfield-Tochter anzuhalten. Ist die ältere so viel wohlhabender?”
Sebastian seufzte, denn für einen Moment war er nicht gewillt, über seine traurige Lage zu sprechen. Doch dann vergaß er das unausweichliche Missfallen und den Tadel seines Onkels. “Nein, aber darum geht es nicht. Ich habe Lady Manners bereits vor fünf Jahren eine feste Zusage gemacht.”
Aus der Miene seines Onkels wich jeglicher Ausdruck, die Wärme in seinen Augen war verflogen. Das Schweigen im Raum wog schwerer als Blei.
Nach einer Weile fragte sein Onkel: “War das Gelübde bindend?”
“Hinreichend bindend.”
Henry kniff die Augen zusammen. “Dann könnte es noch gebrochen werden. Kannst du dich noch von dem Gelübde frei machen?”
“Ich habe es nicht vor.”
Henry durchbohrte ihn mit einem harten Blick. “Mich kannst du nicht täuschen. Du willst diese Verlobung doch nicht.”
“In der Tat. Wenn ich kein bindendes Versprechen gegeben hätte, wäre ich jetzt nicht hier. Aber ich bin durch ein Gelübde gebunden und will es nicht brechen.”
Isham ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, als ob er glaubte, Weisheit in den aufgestapelten Büchern oder in den staubigen Ecken zu finden. Dann schaute er wieder zurück zu seinem Neffen. “Warum gefällt dir diese Verlobung nicht?”
Sebastian strich sich mit den Handflächen über die Oberschenkel. “Ich vertraue ihr nicht.”
Geduldig wartete Henry auf weitere Erklärungen.
“Sie hat ihr Eheversprechen gebrochen.”
“In welcher Weise? War sie ungehorsam? Oder hat sie …”
Sebastian zögerte, mit der Wahrheit herauszukommen, als verrate er Beatrice mit seinen Worten. “Sie nahm sich einen Liebhaber.”
Überrascht zog Henry die Brauen hoch. “Bist du sicher?”
“Ich sah die beiden in einem verfänglichen Moment, der nicht anders zu deuten war.” Conyers’ Arm an ihrer Taille, seine Hand auf ihrer Brust … Sebastian war inzwischen darin geübt, die qualvolle Erinnerung beiseite zu schieben.
“Ich muss bekennen, dass ich deine Entscheidung, diese Frau zu heiraten, nicht nachvollziehen kann.” Tiefe Sorge lag in Henrys Blick, und seine Lippen waren
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