Die Burg der flammenden Herzen
vor, um die Zügel von Sebastians Ross zu nehmen.
Wollte Sebastian etwa nicht, dass Ned Zeuge einer ihrer Auseinandersetzungen wurde? Vielleicht war es so, aber
sie
wollte auf keinen Fall, dass ihre Zofe sah, wie schlecht sie und Sebastian miteinander auskamen. “Geh mit ihm, Nan. Für einen Fremden wie ihn wäre es ungünstig, ohne einen Bewohner von Wednesfield auf dem Land meines Vaters gesehen zu werden.”
“Ja, Mylady.”
Der Diener führte die Pferde an Sebastian und Beatrice vorbei, um sie stromaufwärts zu tränken, und Nan schloss sich ihm an. Weder Beatrice noch Sebastian sprachen, bis die Bediensteten außer Hörweite waren.
“Ich habe nicht damit gerechnet, dich hier anzutreffen”, begann Sebastian.
“Heute früh habe ich auch noch nicht daran gedacht, hierher zu gehen”, erwiderte Beatrice. Sie war allein mit ihm und spürte seine Nähe allzu deutlich. Daher vergrößerte sie den Abstand zu ihm, bis sie den Baum an ihrem Rücken spürte. Sebastian folgte ihr und stand so dicht vor ihr, dass ihr Rocksaum über seine Stiefel streifte.
Verzweifelt suchte sie nach Worten, da ihr das Schweigen Unbehagen bereitete. “Waren deine Verwandten wohlauf?”
“Es geht ihnen gut.” Er hielt inne und sah sie an. “Ich habe sie zur Hochzeit eingeladen.”
Sie nickte. “Wie viele werden kommen?”
“Ein Dutzend, nicht mehr.” Er schaute zur Seite und erlöste sie von seinem Blick. Mit vorsichtiger Stimme, als wolle er sie warnen, sagte er: “Es sind Kaufleute.”
“Doch von edler Geburt”, ergänzte sie. “Das habe ich noch nicht vergessen.”
Als er sich ihr wieder voll zuwandte, verzog er den Mund zu einem wehmütigen Lächeln. “Ich habe vergessen, was du alles über mich weißt.” Wärme, ehrliche Wärme, lag in seinen Augen, als er sie anschaute. Wie war das möglich? Was hatte er in den vergangenen vierzehn Tagen bloß gesehen oder erlebt, dass er seine Meinung über sie derart geändert hatte?
“Ja, natürlich weiß ich vieles über dich. Und du über mich.” Sie schüttelte den Kopf. “Aber wenn du mir die Bemerkung gestattest, ich glaube nicht, dass wir uns
wirklich
kennen.”
Sein Lächeln schwand. “Wie meinst du das?”
Sie seufzte und rang nach Worten. “Vier Jahre sind vergangen, seit wir freundlich miteinander gesprochen haben, Sebastian. Ich denke, wir haben uns beide verändert und sind nicht mehr der Junge und das Mädchen, die sich einander die Ehe versprachen.”
Er lachte kurz auf. “Gewiss nicht.” Dann fuhr er ernst fort: “Wenn wir uns fremd geworden sind, warum können wir nicht wenigstens ein gutes Einvernehmen schaffen? Ich möchte nicht mit dir in Streit leben, Beatrice.”
“Und ich ebenso wenig mit dir”, antwortete sie.
“Ich wusste, dass dir an einer Aussöhnung lag, als du mich in London um Verzeihung gebeten hast.”
Mit brennenden Wangen erinnerte sie sich, dass er ihr die Vergebung verweigert hatte.
“Meine Worte waren unbedacht”, fuhr er fort. “Ich kann dir zwar nicht blind vertrauen, aber ich glaube nicht, dass du dich schändlich verhalten wirst.”
Beatrice hatte nicht das Recht, mehr zu erwarten, doch die Worte taten weh. Schon wollte sie sagen:
Du kannst mir vertrauen. Du kannst mir vertrauen, weil ich in einer harten Schule die Folgen von Betrug und Schande durchlebt habe.
Als sie in sein Gesicht schaute und seinen festen Blick sah, wusste sie jedoch, dass sie nicht mehr von ihm erwarten durfte. Sie musste sich damit zufrieden geben. “Nun gut”, meinte sie stattdessen.
Er lächelte sie an, und das Lächeln war wie eine ausgestreckte Hand. “Dann ist es erledigt. Wir werden nicht mehr miteinander streiten.”
Sie wollte seinen Worten Glauben schenken, konnte es aber nicht. Wie sollten sie so viele Jahre voller Streitigkeiten einfach hinter sich lassen? “Wenn du es so wünschst.”
Ein langes Schweigen trat ein. Die Sonne, die durch das Blattwerk schien, fiel auf sein Gesicht, fing die klaren, blauen Tiefen seiner Augen ein und strich über die Konturen seiner breiten, festen Kieferpartie. Sein Lächeln schwand, und er sah sie durchdringend an. Ihr Herz pochte laut.
“Ich wünsche es so.” Die Welt um sie herum verblasste, wie zuvor in dem Garten in London, und schien in tiefen Nebel getaucht, während er sie anschaute, als habe er sie noch nie zuvor gesehen. “Wie schön du bist.” Er streckte die Hand aus und strich ihr mit einem Finger über die Wange. Seine Fingerspitze war heiß und ein wenig rau.
Bei
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