Die Burg der flammenden Herzen
zumindest nichts passiert, und er hatte gelernt, vorsichtiger zu sein.
Schließlich löste er sich von dem Baum. Der Earl hatte nach ihm geschickt; es blieb also keine Zeit, hier im Freien wie ein grüner Junge zu stehen, der nach der Geliebten schmachtet. Jetzt galt es, Ned zu finden und den Ritt nach Wednesfield fortzusetzen. Er folgte dem kleinen Pfad aus niedergetretenem Gras, den die Pferde am Ufer hinterlassen hatten. Als er den Teich hinter sich ließ, wurde das Murmeln des Wassers, das über die Steine floss, immer lauter und war wie eine angenehme Musik in seinen Ohren. Doch er glaubte auch, das leise Lachen einer Frau zu hören.
Durch die Zweige hindurch entdeckte er Ned und Nan, die ihre Köpfe zusammensteckten. Dann warf Nan den Kopf in den Nacken und lachte. Vom Klang her musste es das Lachen sein, das er zuvor gehört hatte. Sie rückte von Ned ab, und als Sebastian sich seinen Weg durch die Zweige bahnte, warf sie dem Diener einen kecken Blick über die Schulter zu. Die Luft zwischen ihnen schien von Tändeleien erfüllt zu sein, und Sebastian wusste nicht, ob er belustigt oder verärgert sein sollte.
“Wenn du fertig bist, Mädchen, folge deiner Herrin, die bereits zur Burg zurückgeht”, sagte er. Er sprach härter als beabsichtigt, doch es ließ sich nicht ändern. Das Mädchen durfte unmöglich allein hier zurückbleiben und die Beute irgendeines vorbeiziehenden, zungengewandten Schurken werden.
Unsicher schaute sie zu Sebastian hinüber und murmelte etwas zu Ned. Nach einem kurzen Knicks in Sebastians Richtung lief sie an ihm vorbei und eilte den Pfad entlang. Ned wagte es nicht, Sebastian in die Augen zu schauen, und wickelte verlegen die Zügel um seine Finger.
“Und wenn
du
fertig bist, können wir vielleicht unseren Ritt nach Wednesfield fortsetzen.”
Verstohlen warf der Diener ihm einen Blick zu, um abschätzen zu können, wie wütend sein Herr war, dann brachte er mit einem Seufzer dessen Pferd nach vorne. Sebastian schwang sich in den Sattel und lenkte sein Tier auf den Pfad, der von den Bäumen wegführte. Das leise Klirren des Sattelzeugs und der dumpfe Hufschlag sagten ihm, dass Ned dicht hinter ihm ritt.
Sebastian erreichte den befestigten Weg nach Wednesfield und drängte sein Pferd zu einem starken Trab. Der andere Weg, der sich durch sanfte Hügel schlängelte, war zu schmal, um schneller zu reiten. Die Abkürzung über die Felder des Earl reizte ihn zwar – vor Jahren war er stets auf diese Weise in Wednesfield angekommen –, aber er war nicht mehr der Besucher von damals, der Nachbar, der befreundetes Land überquerte und zu Besuch kam. Jetzt war er ein gänzlich anderer Mensch.
Der Haushalt auf Wednesfield war gut geführt, denn als Sebastian durch das große Tor in der alten befestigten Mauer ritt, lief augenblicklich ein Junge zum Hauptgebäude, während ein anderer sich eilte, um die Stallburschen zu holen. Noch bevor er überhaupt abgestiegen war, stand bereits der Verwalter von Wednesfield im Burghof, um ihn ins Haus zu geleiten. Ned hinter sich wissend, folgte Sebastian dem Verwalter zum Gemach des Earl über der Halle.
Den Ellbogen auf die Stuhllehne und das Kinn auf die geballte Hand gestützt, saß der Earl vor dem einzigen Fenster des Raumes und lauschte der dünnen und schrillen Stimme eines Harfenspielers. Seine Augen waren halb geschlossen, seine Gedanken offenbar ganz woanders. Der Verwalter, der vor Sebastian stand, hüstelte leicht.
Lord Wednesfield schaute auf. Als er Sebastian sah, machte er eine rasche Bewegung mit den Fingern. Der Harfenspieler hörte auf zu singen und legte die Hände über die Saiten. “Du kannst dich entfernen”, sagte der Earl zu dem Mann. “Komm herein, Sebastian. Leiste mir Gesellschaft.”
Sebastian entließ Ned, und hinter ihm wurde die Tür leise zugezogen.
Der Earl erhob sich, kam auf Sebastian zu und umarmte ihn. “Mir wurde berichtet, du seiest nur mit deinem Diener gekommen. Warum der rasche Aufbruch ohne angemessene Begleitung?” Sie gingen zu einem Tisch, auf dem ein Krug und zwei Becher bereitstanden. Sebastian wartete höflich, bis der Earl ihm mit einem Wink bedeutete, die Becher mit Ale zu füllen.
“Ich nehme Eure Einladung ernst, Mylord. Außerdem brauche ich meine Leute in Benbury, denn sie bereiten alles für die Ankunft der neuen Herrin vor.”
“Setz dich. Reden wir ein wenig.” Der Earl wies auf den Lehnstuhl seiner Gemahlin, der neben dem seinen stand. Soweit Sebastian sich erinnern konnte,
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