Die Burg der flammenden Herzen
zugeschnürt war, und gab Nan mit einem Nicken zu verstehen, die Tür zu öffnen.
Mit einem Mal herrschte Schweigen in dem Raum, der eben noch von gedämpften Stimmen erfüllt gewesen war. Ihre Mutter saß in ihrem edlen Lehnstuhl und schaute von der Näharbeit auf. Erstaunt hob sie die Brauen, als sie des blauen Brokatstoffs gewahr wurde. Beatrice straffte die Schultern, hin- und hergerissen zwischen dem Bedauern, das Schwarz abgelegt zu haben, und den ersten Regungen des Widerstandes.
Doch plötzlich schienen ihre Befürchtungen bedeutungslos zu sein. Die Verwunderung ihrer Mutter wich einem Lächeln, ein Ausdruck, der so einladend war wie eine ausgestreckte Hand. Beatrice’ angespannte Vorsicht schwand. Seit der Ankunft auf Wednesfield war ihre Mutter freundlicher und ließ die weichen Züge unter ihrem abweisenden Mienenspiel erkennen – wie ein Igel, der sich nicht mehr länger zu einem stacheligen Ball zusammenzog.
“Komm, mein Kind, setz dich zu mir.”
Beatrice nahm auf dem Schemel neben dem großen Stuhl der Countess Platz. Als sie die Röcke glatt strich, hielt ihre Mutter ihr das Nadelkissen hin. “Nimm eine Nadel und hilf mir bei diesem Altartuch. Es ist für die Abteikirche, und ich kann auf die Hilfe keines anderen vertrauen. Nicht eine der Zofen näht so fein wie du.”
Beatrice nahm das Nadelkissen, suchte sich eine Nadel heraus und führte den Faden durch das Öhr. Sie hob das Tuch an einem Ende hoch, suchte nach dem Anfang und begann zu sticken. Sie spürte, wie das alte Vergnügen wiederkehrte, Schönes zu schaffen. Wie viele Tage ihrer Kindheit hatte sie wohl in diesem Raum verbracht, die Nadel in der einen Hand, den Stoff in der anderen, während sie nähte und sich Träumereien hingab?
Gemessen an der Bildung ihrer Schwester, kam ihr die eigene Fertigkeit im Umgang mit der Nadel unbedeutend vor. Gleichwohl hatte ihr Vater sie einst gebeten, den Deckel eines Messbuchs, das der Königin überreicht werden sollte, mit einer Stickerei zu versehen. Jede Frau war in der Lage, einen feinen Saum zu nähen und Stickereien anzufertigen; aber wie viele konnten neben Englisch auch noch Französisch und Latein lesen? Und was ihre viel gepriesene Schönheit anbelangte, so war dies ein Geschenk; selbst als ihre Eitelkeit am stärksten gewesen war, hatte sie gewusst, dass sie nicht so gut war, wie ihr hübsches Antlitz vermuten ließ. Sie war nicht schön geschaffen worden, weil sie gut war.
“Meine Augen haben nachgelassen”, klagte ihre Mutter mit einem ungeduldigen Seufzer. “Du wirst diese Stiche machen müssen.” Sie reichte Beatrice das Ende, an dem sie arbeitete, dessen Verzierungen sehr fein und behutsam gestickt werden mussten. Beatrice nahm eine andere Nadel und hielt den Stoff näher an die Augen, um die Feinheiten besser unterscheiden zu können.
“Ich werde dich vermissen, wenn du fort bist”, sagte die Countess leise.
“Weil ich gut nähen kann.”
“Nein, Kind. Ich werde deine Gesellschaft vermissen.”
Beatrice ließ die Näharbeit sinken und sah in das Gesicht ihrer Mutter. Ihre Augen schimmerten, als kämpfe sie gegen Tränen an.
“Ich werde nicht so weit weg sein. Benbury ist nur drei Meilen entfernt.”
“Ich weiß. Aber es ist schön, bei dir zu sitzen.”
Es war immer schön gewesen, in der Kemenate zu sitzen und elegante Verzierungen mit Nadel und Faden zu schaffen. Sie hatte von Sebastian geträumt, während sie Hemden für ihren Vater und ihre Brüder genäht hatte. Wovon hatte sie noch geträumt? Von der vollkommenen Liebe, von vollkommener Harmonie, von endlosen, sonnigen Tagen, die mit Sebastians Lächeln angefüllt waren. Das Gefühl hatte sie beseelt, dass er ihr die Welt zu Füßen legen würde, wenn er könnte.
Beatrice hielt inne, obgleich die Nadel erst halb durch den Stoff gezogen war. Sie hatte seine Zuneigung stillschweigend vorausgesetzt und stets geglaubt, seine Liebe sei eine Huldigung ihrer Schönheit. Gewiss hatte er sie geliebt. Wer hatte das nicht? Ihr Mundwinkel zuckte, als sie die Nadel durch das Tuch führte und zum nächsten Stich ansetzte. Niemand hatte sie so geliebt, wie sie es sich vorgestellt hatte. Niemand konnte es. Ihre Eitelkeit hatte sie töricht werden lassen.
Nun, Thomas hatte ihr diese Eigenart ausgetrieben. Ihre Schönheit hatte ihm nur etwas bedeutet, da andere Männer ihn um seine Gemahlin beneideten; sie war ein Ziergegenstand geworden, ein nettes Spielzeug, und weniger als das, wenn er missgelaunt gewesen war. Er
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