Die Burg der flammenden Herzen
Händen. Warum stellte sie sich diese Frage, wenn sie die Antwort bereits kannte? Oh, was war sie doch für eine Närrin. Sie ließ die Hände sinken, hob den Kopf und starrte auf die ruhige Flamme der Altarkerze. Sebastian zu lieben bedeutete, sich in seine Gewalt zu begeben; mit einem Wort konnte er sie schlimmer verletzen, als Thomas es je getan hatte.
Was sollte sie jetzt tun? Wie konnte sie sich gegen Sebastian und ein gebrochenes Herz schützen?
Du vermagst es nicht.
Die Stimme schien nicht aus ihr zu sprechen. War es Gott? Oder war es der Teufel, der sie für seine Zwecke in Versuchung führte? Sogleich bekreuzigte sie sich und sah mit einem Mal klarer. Wie konnte der Teufel sie versuchen, da er sie daran erinnerte, dass sie sich bei Sebastian nicht vor Schmerz schützen konnte? Worin sollte hierbei das Trügerische liegen?
Zumindest schien Sebastian, anders als Thomas, keine Freude daran zu haben, sie zu verletzen. Das war eine große Gnade und Grund genug, dankbar zu sein. Und wenn er sie doch verletzte, würde er dann nicht Reue zeigen? Er hatte es sogar bedauert, ihr Schmerzen verursacht zu haben, als er ihr die Jungfräulichkeit genommen hatte, ein Schmerz, der sich nicht hatte verhindern lassen.
Habe Vertrauen.
Erneut schien die Stimme irgendwo aus der Kapelle zu kommen, aber diesmal hinterfragte sie nicht die Quelle. Wenn Sebastian sie auch nicht liebte, so hasste er sie wenigstens nicht. Vor zwei Monaten wäre sie für diese Aussicht dankbar gewesen. Waren ihr Stolz und ihre Habsucht derart angewachsen, dass sie sich damit nicht mehr begnügen konnte? Oder lag es in ihrer Natur, dass sie immer mehr wollte, ganz gleich, wie viel sie bereits besaß? Möge Gott verhindern, dass es so war. Doch wenn es stimmte, musste sie um Dankbarkeit und Demut bitten, um die Gnade schätzen zu lernen, die ihr zuteil geworden war, anstatt die Gaben zu beklagen, die ihr nicht vergönnt waren.
Plötzlich erinnerte sie sich an ihr Gebet, das sie gesprochen hatte, als Sebastian fort gewesen war. Sie hatte sich selbst ermahnt, nicht um seine Liebe zu beten – der Wunsch war zu weltlich, um ihn vor Gott zu tragen. Stattdessen hatte sie um Kraft und Geduld gebeten, damit sie die Heimsuchungen ertragen könnte, die ihr noch bevorstanden. Und jetzt wurde sie erstmals auf die Probe gestellt und beklagte sich, weil sie nicht bekommen hatte, was sie überhaupt nicht hätte verlangen dürfen.
Mit Sebastian bekäme sie einen freundlichen Gemahl; er würde ihr Kinder schenken und die Ehre seiner Frau wahren. Erneut kniete sie nieder und bekreuzigte sich. Allein ihr Stolz und ihr habgieriges Verlangen verursachten den Schmerz, und daher würde sie diesen Irrungen keine Beachtung mehr schenken. Sie würde von nun an dankbar für die Gnaden sein, die ihr vergönnt waren; sie waren groß, und das durfte sie nicht vergessen. Wenn ihr törichtes Herz von Liebe flüsterte, würde sie nicht hinhören; die Pflicht gegenüber Sebastian und ihrer Ehe würde sich als keine Bürde erweisen. Das allein war ein Geschenk.
Es war sonderbar, aber an diesem Abend machte Sebastian es ihr leicht, das Versprechen sich selbst gegenüber zu halten. Sie saßen bei der Abendmahlzeit zusammen, und er bestimmte den Umgangston bei Tisch, indem er sie wie ein Höfling mit unverfänglichen Schmeicheleien bedachte. Er hätte jeder anderen Frau dieselben Komplimente gemacht, und als Beatrice spürte, dass sie sich nach Liebesgeflüster sehnte, schenkte sie diesem Verlangen keine Beachtung. Es musste ihr genügen, dass er ihr freundlich und nicht mit Flüchen begegnete.
Sie tanzten eine Pavane, und wenn sie mit ihm sprach, tat sie es ihm gleich und sagte nichts weiter als leere, bedeutungslose Dinge. Einmal hatte sie den Eindruck, Enttäuschung in seinen Augen zu entdecken, aber nachdem sie ihn erneut angesehen hatte, schenkte er ihr nur ein freundliches, aber steifes Lächeln, das ihr zeigte, dass sie sich geirrt hatte. Als sie mit John tanzte, tanzte Sebastian mit der Frau ihres Bruders. Danach bewegten sie sich zu einer lebhaften und schnellen Galliarde. Am Ende stolperte sie und fiel in seine Arme. Von Hitze erfasst, vernahm sie, wie er die Luft zwischen den Zähnen einsog. Einen Augenblick lang verharrten sie in dieser Stellung, bis er sie wieder auf die Füße stellte und sich bei ihr entschuldigte. Kurz darauf verließ er die Tanzfläche und ließ sie verwirrt und aufgewühlt zurück.
Ein wenig später ging er aus der Halle. Sie sah ihm nach, und ihr
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