Die Burg der flammenden Herzen
die Röcke, als habe er den Stoff nie berührt.
“Dann geh. Ich wünsche nicht, dass du hier bist.”
Lange sah er sie an, als ob er einschätzen wollte, wie ernst sie die Worte gemeint hatte. Sie hob das Kinn, da sie Angst hatte, er würde sehr wohl sehen, wie schwach ihr Wille in Wirklichkeit war. Wenn er bliebe, würde sie ihn anflehen und gleichsam um seine Liebe betteln. Es würde ihn nur mit Abscheu erfüllen und sie beschämt zurücklassen.
“Wie es dir beliebt”, sagte er und kehrte sich ab.
Geh nicht!
Sie biss sich auf die Lippe, um nicht zu weinen, drückte ihre Nägel in die Handflächen, um sich zu zwingen, die Hände nicht nach ihm auszustrecken. Er schaute sich nicht mehr um, sondern schloss die Tür hinter sich mit einem leisen, endgültig klingenden Geräusch.
Beatrice starrte lange auf die Holzverzierungen der Tür und konnte nicht glauben, dass sie ihn fortgeschickt hatte. Die Stille war in den Raum zurückgekehrt – jene Lautlosigkeit, die eintritt, wenn jemand etwas Unverzeihliches sagt. Was hatte sie bloß angerichtet?
Doch sie konnte es nicht rückgängig machen, ohne in den Gängen von Wednesfield hinter ihm herzulaufen. Wie betäubt bereitete sie sich auf das Zubettgehen vor, so gut es ohne Nans Hilfe ging. Während sie die Haare flocht, erinnerte sie sich an die Nacht in London, als Cecilia ihr eröffnet hatte, dass sie an den Hof zurückkehren würde.
Ich liebte einen Mann, und ich dachte, er liebt mich. Ich muss die Wahrheit ergründen. Ich muss wissen, was er fühlt.
Beatrice hörte die Stimme ihrer Schwester so deutlich, als wäre sie im Raum. Woher hatte Cecilia den Mut genommen? Selbst jetzt noch raubte der Gedanke daran Beatrice den Atem. Woher stammte die Kühnheit, mit der ihre Schwester sogar die schmerzliche Erkenntnis in Kauf genommen hatte, dass der Mann, den sie liebte, ihre Liebe nicht erwiderte?
Wenn er mich nicht liebt, muss ich es wissen.
Plötzlich sah sie die Antwort hell und klar vor sich. Solange Cecilia nicht wusste, was der Mann ihrer Liebe fühlte, bliebe sie in der Schwebe und wäre nicht mehr in der Lage, ihr Leben zu gestalten. Mit einer noch so schmerzhaften Gewissheit aber konnte sie fortfahren, neue Entscheidungen treffen und ihr Leben so gut wie möglich ordnen. Vielleicht traf das auch auf sie selbst zu. Wäre es nicht besser, ihr Leben auf der Wahrheit aufzubauen? Sie dachte zurück an längst vergangene Tage, an Stolz und Zweifel, die sie davon abgehalten hatten, Sebastian zu fragen, ob er sie heiraten würde, nachdem Thomas seine Heiratsabsichten hatte erkennen lassen. Wenn damals einer von ihnen die Wahrheit gesagt hätte, wäre vielleicht vieles anders verlaufen.
Ich habe schreckliche Angst.
Sie hatte Angst vor Thomas gehabt und ihn doch überlebt. Sie hatte Angst vor Sebastians Zorn und Abscheu gehabt und beides überwunden. Schmerz verging gewiss so schnell wie Glück. Das einzig Wichtige, das Bestand hatte, war die Wahrheit.
Als sie ihren Zopf geflochten hatte, setzte sie die Nachthaube auf und verschnürte sie. Am Morgen, wenn das Tageslicht ihren Wagemut entfachte, würde sie Sebastian fragen, ob er sie liebte oder nicht.
Als Sebastian sich bei Anbruch der Dämmerung von seinem Bett erhob, trug er immer noch das Hemd und die Beinlinge vom vergangenen Abend. Er hatte keine Minute dieser langsam dahinkriechenden Nacht geschlafen, denn seine Gedanken hatten sich wie ein Mühlrad in seinem Kopf gedreht. Die letzte Nacht hatte ihm körperliche Erleichterung verschafft, aber auch nicht mehr. Seine Hoffnung, die körperliche Nähe zu Beatrice könnte zu einem offenen Wort führen, hatte sich als falsch erwiesen – während das Liebesspiel sie einst in vielversprechender Weise zusammengeführt hatte, waren sie nun weiter voneinander entfernt als je zuvor. Jetzt wusste er nicht mehr, was er tun sollte.
Er nahm sein Wams vom Boden auf, das er nachts von sich geschleudert hatte. Während er es anlegte, starrte er auf die Wand und versuchte, an nichts zu denken. Wenn er nachdachte, kam ihm unweigerlich die letzte Nacht in den Sinn, und was sollte ihm das bringen? Er hatte sich den Kopf zerbrochen, immer wieder über dasselbe nachgedacht und war doch zu keiner Lösung gekommen. Mit einem Seufzer durchquerte er das Gemach und öffnete die Tür. Auf dem Boden schlief sein Diener Ned, zusammengerollt wie ein Hund vor dem Ofen. Sebastian hatte ihn nach der Rückkehr aus Beatrice’ Kammer schleunigst fortgeschickt, denn er war zu aufgewühlt
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