Die Burg der Könige
Biegung machte. Dort lagen, wie eine grüne Mauer, einige gefällte Tannen kreuz und quer übereinander. Die Pferde trabten noch einige Schritte weit, dann blieben sie schnaubend vor der Barriere stehen und scharrten mit den Hufen.
Gunthers Augen irrten panisch umher, dann griff er zu der geladenen Armbrust, die unter dem Kutschbock lag.
»Diese Schweine«, ächzte er.
Im gleichen Augenblick ertönte ein leises Surren, und ein gefiederter Pfeil fuhr in Sebastians Oberschenkel.
»Jesus Maria!«, schrie der Büttel auf. »Gott soll euch strafen!« Dann prasselten weitere Pfeile auf den Karren ein. Gunther suchte mit der Armbrust irgendein Ziel, einen Feind, den er hätte töten können, doch alles, was er sah, waren die dunklen Tannen jenseits des Hohlwegs. Ein Pfeil traf ihn in die rechte Hand, ein weiterer zischte knapp an seinem Hals vorbei. Fluchend ließ er die Armbrust fallen, riss sich die Pfeilspitze aus der brennenden Wunde und warf sich vom Wagen. Während weitere Pfeile wie Hagelkörner um ihn herum einschlugen, kletterte er die steile Böschung hoch und stolperte geduckt auf den nahe gelegenen Waldrand zu. Kurz bevor er das rettende Dickicht erreichte, erwischte ihn ein weiteres Geschoss im Unterschenkel. Vor Schmerz laut aufschreiend, stürzte er in ein Gebüsch und blieb dort schwer atmend liegen.
Der Wachmann Sebastian hatte derweil zu seinem rostigen Kurzschwert gegriffen und stand nun schwankend auf dem Kutschbock. Zwar trug er wie Gunther ein löchriges Kettenhemd, doch mittlerweile steckten drei Pfeile in seinen Beinen, und ein Armbrustbolzen hatte sich durch die Metallringe des Hemds gebohrt. Noch hielt sich Sebastian aufrecht, aber Gunther wusste aus Erfahrung, dass die meisten Pfeilschüsse nicht sofort den Tod brachten, vielmehr verblutete das Opfer langsam und qualvoll. Soeben durchschlug ein weiterer Bolzen das dünne Kettenhemd, Sebastian taumelte kurz, dann fiel er kopfüber vom Wagen. Er robbte noch einige Schritte auf die Böschung zu und blieb schließlich stöhnend liegen.
Erst jetzt zeigten sich oben am Waldrand vier Männer, die nun langsam zur Straße herunterkamen. Der größte von ihnen hielt eine riesige schwarze Dogge an der Leine, die Sebastians Blutspur folgte und schließlich eine größere Lache neben dem Wachmann vom Boden aufleckte. Gunther erkannte den schwarzhaarigen Hünen sofort.
Es war Hans von Wertingen.
Der Raubritter sah sich aufmerksam um. Er trug Brustharnisch und Rundhelm, sein Breitschwert war so lang, dass es beinahe am Boden schleifte. Die anderen drei Männer waren ärmlicher gekleidet, zwei von ihnen hielten Langbogen in den Händen, der dritte zielte mit einer frisch geladenen Armbrust auf den stöhnenden Sebastian.
»Lass den armen Teufel liegen!« befahl Wertingen. »Der kann uns nicht mehr gefährlich werden. Außerdem brauch ich ihn noch eine Weile lebend. Er soll uns alles sagen, was er weiß. Was ist mit dem anderen Kerl?«
»Der ist dort drüben in den Wald gelaufen«, erwiderte einer seiner Gefolgsleute und deutete auf die gegenüberliegende Seite der Straße. »Hat aber schon was abgekriegt, glaub ich.«
Wertingen grinste. Dann begann er die Leine am Hals des Hundes zu lösen. »Der kommt nicht weit. Meine Saskia wird ihn schon finden. Nicht wahr, Saskia? Braves Mädchen.«
Die riesige Dogge zog böse knurrend an der Leine, so dass von Wertingen Schwierigkeiten hatte, den Strick loszumachen. »Halt gefälligst still, du Misttöle!«, fluchte er.
Gunther erstarrte in seinem Versteck. Mit dem Pfeil im Unterschenkel war es sinnlos wegzulaufen. Außerdem würde ihn die Dogge ohnehin schon bald einholen. Er überlegte kurz, dann sprach er ein stilles Stoßgebet und langte nach unten in die Wunde am Unterschenkel, die bereits kräftig blutete. Mit zusammengebissenen Zähnen fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht, bis es rot vom verschmierten Blut war, dann stellte er sich tot.
Nur einen Augenblick später tauchte die Dogge hinter dem Gebüsch auf.
Sie bellte und zog die Lefzen hoch, dass ihre langen spitzen Fangzähne zu sehen waren. Doch als sich die Beute vor ihr nicht rührte, senkte sie nur langsam den Kopf und begann an dem reglosen Körper zu schnüffeln. Gunther spürte feuchte Nüstern, die an seinem Bein schnupperten, dann fuhr eine nach Aas stinkende Zunge über seine von Blut, Dreck und Tannennadeln besudelten Wangen. Er war kurz davor, laut aufzuschreien.
Knirschende Schritte ertönten. Gunther hatte die Augen weit
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