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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Italien aus. Und auf den neuen Papst Clemens VII. war kein Verlass. Ein Ärgernis, denn um als Kaiser im ganzen Reich anerkannt zu werden, musste Karl unbedingt noch vom Papst gekrönt werden!
    Bevor ein anderer auf die gleiche Idee kam.
    Zornig warf Karl das restliche Futter auf den Boden des Taubenschlags, so dass die Vögel nervös zu flattern begannen. Es war immens wichtig, dass ihr eigener Agent fündig wurde, gerade jetzt in dieser heiklen politischen Lage. Warum waren die Informationen nur nach außen gedrungen! Hätte Gattinara die Dokumente besser unter Verschluss gehalten, dann hätte die andere Seite nie von dem Geheimnis erfahren! Jetzt war man gezwungen zu handeln.
    Und zu töten.
    Der junge Kaiser wischte sich die schmutzigen Hände an seinem Seidenwams ab, dann setzte er sich an einen polierten Nussholztisch, der wie ein Fremdkörper in einer Nische des Taubenschlags stand. Aus einer feinziselierten Schublade zog Karl drei dünne Blatt Seidenpapier und schrieb darauf jeweils die gleiche verschlüsselte Botschaft. Bislang hatte er gehofft, es würde ausreichen, die Beweise zu zerstören. Doch die Sache war eindeutig zu heikel geworden, da nun der französische Agent tatsächlich vor Ort war.
    Es galt, denjenigen, der so lange im Verborgenen gelebt hatte, zu finden und ihn ohne viel Aufsehen auszuschalten. Als Verschlüsselungscode wählte Karl V. eine Buchstabenreihenfolge, die zuvor mit Gattinara und dem Agenten vereinbart worden war.
    B. A. R. B. A. R. O. S. S. A.
    Als der Kaiser schließlich fertig war, rollte er die drei winzigen Papiere sorgfältig zusammen, steckte sie in ebenso kleine Röhrchen und suchte drei geeignete Tauben dafür aus. Er entschied sich für zwei blütenweiße und eine graue, die alle drei aufgeregt auf den Stangen mit ihren Flügeln flatterten. Mit spitzen Fingern knotete Karl die Röhrchen an den Krallen fest, band die Tauben los und trug sie einzeln zu dem kreisförmigen Loch, das nach draußen ins Freie führte.
    Die zunehmende Dämmerung ließ den Kaiser blinzeln, während er sich in Gedanken die lange Reise der Vögel ausmalte. Die Tauben würden zunächst nach Montpellier fliegen, wo die spanische Krone über einen geheimen Stützpunkt im altehrwürdigen Kloster Saint Benoit verfügte. Andere Vögel würden die Nachricht nach Paris bringen, dann nach Straßburg, und so immer weiter, bis eine der Tauben endlich den fernen Wasgau erreichte.
    »Fliegt, meine Vögelchen! Fliegt und grüßt mir den Wasgau!«
    Die Tauben verharrten einen Augenblick in der Maueröffnung, so als müssten sie sich erst an die Freiheit gewöhnen, dann stiegen sie eine nach der anderen hoch in den Himmel und flatterten über die Altstadt Valladolids auf das iberische Gebirge zu, das als schneebedecktes Band am Horizont zu erkennen war.
    Karl sah ihnen eine Weile nach, bis sie schließlich nur noch winzige Punkte am Firmament waren. Seufzend wandte er sich ab und stieg die schmale Stiege hinunter ins Erdgeschoss des Turms, wo einige seiner Wachsoldaten vor ihm niederknieten wie vor einem Gott.
    Keiner von ihnen wusste, dass mit den kleinen Vöglein eben ein Befehl davonflog, der die Zukunft des Deutschen Reiches entscheiden konnte.
    ***
    Ein paar Tage später rumpelte ein Karren, gezogen von zwei alten Mähren, in Richtung Neukastell am Rande der Rhein­ebene. Auf dem Kutschbock saßen die beiden Trifelser Burgwachen Gunther und Sebastian. Obwohl es bereits auf Ende Mai zuging, war es zu dieser frühen Tageszeit unangenehm kühl, dünne Nebelschwaden hingen in den dunklen Tannen, die links und rechts der Straße wuchsen. Die Männer hatten sich für den längeren Weg entschieden, der unterhalb des Hügelzugs entlangführte. Er war mehr befahren und schien ihnen deshalb sicherer. Trotzdem sah sich der Burgmann Sebastian immer wieder nach allen Seiten hin um, der sonst so großsprecherische Büttel war seltsam still.
    »Man könnte fast meinen, du hältst nach Gespenstern Ausschau«, brummte Gunther, der mit den Zügeln in der Hand neben seinem Freund und Kollegen saß und wie so oft an einem Strohhalm kaute.
    »Nicht nach Gespenstern, du Narr«, erwiderte Sebastian und ließ erneut den Blick über die Tannen schweifen. »Nach Räubern und Gesindel halt ich Ausschau. Treibt sich allerhand zwielichtiges Volk hier in den Wäldern herum.«
    »Du meinst den Schäfer-Jockel, der drüben im Eußerthal all die Unzufriedenen und entlaufenen Galgenvögel um sich sammelt?«
    Sebastian schüttelte den Kopf.

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