Die Burg der Könige
ihren Vater, sie wusste, das war die Ruhe vor dem Sturm. Tatsächlich kam der Ausbruch einige Minuten später, als sie beide wieder allein im Rittersaal waren. Dafür aber dann umso heftiger.
»Woher hat der feige Hund überhaupt von Mathis und den Feuerwaffen gewusst, hä?«, schimpfte Erfenstein so dröhnend, dass seine beiden Hunde winselnd in eine Ecke krochen. »Er wusste auch, dass meine zwei Burgmänner heimlich nach Neukastell unterwegs waren, und er wusste von dem Geld. Da muss uns doch einer verraten haben!«
»Von dem großen Geschütz kann er auch so gewusst haben«, erwiderte Agnes mit besänftigender Stimme. »Allein der Rauch des Schmelzofens war meilenweit zu sehen. Aber dass Wertingen den genauen Zeitpunkt und die Art der Übergabe wusste, das ist schon merkwürdig …« Sie zog die Stirn in Falten und dachte nach. Doch sosehr sie auch grübelte, es wollte ihr keiner einfallen, der als Verräter in Frage kam.
»Verflucht, wie soll ich denn jetzt die herzoglichen Abgaben bezahlen?«, jammerte der Vogt und sank plötzlich in seinem Schemel zusammen. All die Wut schien aus ihm gewichen wie Luft aus einer Schweinsblase. »Ich … ich habe aus meinen Bauern das letzte bisschen herausgepresst. Sie haben nichts mehr! Und dem herzoglichen Verwalter ist das scheißegal. Auch wenn Rupprecht und ich mal befreundet waren, das schert ihn kein bisschen, wenn es ums Geld geht.« Der Burgvogt raufte sich die Haare. »Es ist so weit, Agnes. Jetzt nehmen sie mir endgültig den Trifels weg.«
»Keiner nimmt dir den Trifels weg, Vater«, beruhigte ihn Agnes. Sie setzte sich neben ihn und nahm seine zitternde Hand. »Jetzt noch nicht. Ich habe in den Büchern nachgesehen, wir haben immer noch ein wenig Erspartes. Wenn wir Mutters letzten Schmuck versetzen, gibt sich Lohingen vielleicht mit einer Anzahlung zufrieden.«
»Ach, Agnes! Mutters Schmuck war doch bereits in dem Beutel mit den geraubten Gulden. Sonst hätte es gleich zweimal nicht gereicht.« Erfenstein schüttelte seufzend den Kopf. »Und außerdem brauchen wir ja nicht nur für Lohingen Geld, sondern auch für Mathis, damit er sein verdammtes Feuerrohr fertigstellen kann! Wir schmelzen ja schon alles ein, was wir finden können. Aber Schwefel kostet nun mal, von den ganzen anderen Kleinigkeiten ganz zu schweigen. Jetzt braucht der Bursche auch noch Blei und zwanzig Fuß Lunte vom Annweiler Seiler!« Er lachte verzweifelt. »Es ist wie verhext, Agnes! Entweder ich leiste dem herzoglichen Verwalter meinen Offenbarungseid und verliere die Burg, oder ich kann uns nicht genügend ausrüsten, verliere den Kampf gegen Hans von Wertingen, und auch dann bin ich den Trifels los. Eine andere Wahl bleibt mir nicht!«
Agnes dachte eine Weile nach. »Dann leih dir das Geld eben«, sagte sie schließlich.
Erfensteins große Gestalt schien in dem Schemel förmlich zu schrumpfen. »Von wem denn? Den anderen Rittern in der Gegend geht es nicht viel besser, und vor dem jungen Schnösel Scharfeneck mache ich keinen Diener mehr, bei Gott! Lieber geh ich in Sack und Asche.«
»Du kennst doch ein paar Kaufleute in Speyer. Die haben Geld wie Heu.« Agnes zuckte mit den Schultern. »Die leihen dir sicher etwas. Zur Not zahlst du ihnen eben ein wenig mehr zurück.«
»Ein wenig mehr?« Erfenstein seufzte. »Die Zinsen dort sind die reinste Unverschämtheit! Da war es ja bei den Juden noch besser, bevor sie die armen Teufel aus der Stadt vertrieben haben. Und dass die Speyerer Pfeffersäcke mir ganz ohne Zinsen, aus christlicher Nächstenliebe, aus der Patsche helfen, glaubst du ja wohl selbst nicht. Warum auch? Sie haben ja nichts davon, außer …« Plötzlich stockte der Burgvogt, tiefe Falten zeigten sich auf seiner Stirn, während er seine Tochter nachdenklich musterte. »Ja, wieso nicht?«, murmelte Erfenstein schließlich. »So könnte es vielleicht gehen.«
»Was … was meinst du?«, fragte Agnes.
Philipp von Erfenstein rieb sich den weinnassen Bart. »Nun, bei meinem letzten Besuch in Speyer hat der Tuchhändler Jakob Gutknecht ein paar Worte fallen lassen, was seinen Sohn betrifft. Der ist bereits zwanzig Jahre alt und noch ein echter Hallodri.« Der Vogt grinste, sein Kummer schien plötzlich verschwunden. »Macht seinem Vater Kummer, wo es nur geht. Deswegen will er ihn so schnell als möglich im sicheren Hafen wissen.«
Agnes’ Herz schlug schneller. »Du meinst doch nicht etwa …«
»Agnes!«, unterbrach sie ihr Vater barsch. »Es wird für dich keinen
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