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Die Burg der Könige

Die Burg der Könige

Titel: Die Burg der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Einen winzigen Moment war sie wieder das junge Mädchen, das er einst zum Tanz aufgefordert hatte.
    Der Druck war einfach zu groß. Es ist das Beste, für uns und für unsere gemeinsame Sache. Sollen andere entscheiden, wann der Zeitpunkt gekommen ist.
    Der Alte atmete tief durch, dann forderte er alle auf, sich hinzuknien. »Lasst uns jetzt gemeinsam beten.«
    »Sanctus Fridericus, libera me, libera me, libera me …«
    Während sie gemeinsam die uralten Worte sprachen, die seit Generationen in Annweiler weitergegeben wurden, war jedem Einzelnen von ihnen bewusst, dass dieses Treffen vermutlich ihr letztes war.
    Der Orden hatte aufgehört zu existieren.
    ***
    Am Nachmittag des darauffolgenden Tages fand Mathis endlich den Mut, mit seinem Vater zu sprechen. Die Zeit drängte, denn der Burgvogt Philipp von Erfenstein wollte von seinem neuen Büchsenmacher nun doch endlich wissen, über welche Geschütze sie verfügten und wie Mathis sie einzusetzen gedachte. Mittlerweile war vom Zweibrückener Herzog höchstpersönlich das Schreiben gekommen, dass Erfenstein dazu ermächtigte, gegen den Raubritter Hans von Wertingen zu Felde zu ziehen. Übermorgen sollte es endlich losgehen.
    Wäre die Lage nicht so ernst gewesen, hätte Mathis laut losgelacht. Vor ein paar Wochen war er noch ein junger Schmied gewesen, der als Aufrührer im Kerker saß, nun hatte ihn der kommende Feldzug zum Geschützmeister des sagenumwobenen Trifels gemacht, und alle Burgbewohner respektierten ihn. Doch Mathis machte sich keine Illusionen. Sollte der Feldzug gegen Wertingen scheitern, wäre das das Ende seiner noch jungen Karriere als Büchsenmacher. Und vermutlich auch das Ende seiner Arbeit auf dem Trifels. Erfenstein würde ihn vor die Tür setzen, allein schon, um sein Gesicht zu wahren.
    In den letzten Tagen hatte Mathis immer wieder an der richtigen Rezeptur für das Schwarzpulver gefeilt. Am Ende hatte er sich schließlich für fünf Teile Schwefel, sieben Teile Salpeter und fünf Teile Holzkohle entschieden. Bei der Kohle hatten die jungen Stämme der Haselnuss in den vielen Ex­perimenten die beste Wirkung erzielt; allerdings war dafür die Ausbeute äußerst gering, Haselbäume wuchsen auf dem trockenen Sandboden der Gegend selten. Alle Bestandteile mussten fein zermahlen und schließlich in der Pulvermühle im Schuppen sorgfältig vermischt werden. Um größere, rascher abbrennende Körner herzustellen, hatte Mathis das Pulver mit Essig und Urin vermengt und die Flüssigkeit dann wieder verdampfen lassen.
    Seit gut zwei Stunden war er nun damit beschäftigt, die scharf riechende Masse in einem langen flachen Trog immer wieder zu wenden. Dabei war ihm bewusst, dass jeder Funken, jeder heftige Stoß eine Explosion auslösen konnte, die von dem Schuppen und ihm selbst nur noch ein großes Loch übrig lassen würde.
    Als Mathis seine Arbeit schließlich beendet hatte, legte er vorsichtig den hölzernen Schaber zur Seite und machte sich auf den gut zweistündigen Weg hinüber zum Trifels. Er war seit Tagen nicht mehr zu Hause gewesen. Umso begeisterter begrüßte ihn die kleine Marie, jauchzend stand sie in der Tür.
    »Mathis, wie schön, dass du wieder da bist!«, rief sie aufgeregt. »Darf ich wieder mit in den Wald, wenn du Krach machst? Bitte, bitte!«
    Mathis lächelte matt. »Heute nicht, Marie. Vielleicht ein anderes Mal.« Er sah sich in der winzigen Stube um, wo seine Mutter mit sorgenvollem Gesicht auf der Ofenbank saß und Waldbeeren in eine irdene Schüssel zupfte. Noch mehr als sonst fiel ihm auf, in was für beengten Verhältnissen sie lebten.
    Ein Tisch, drei Schemel und eine Ofenbank , dachte er. Und drüben in Scharfenberg schaffen sie dem Grafen das feine Mobiliar mit Ochsenkarren herbei.
    Die Unruhen in den deutschen Landen waren in den letzten Wochen immer mehr gewachsen. Mathis musste plötzlich an sein gefertigtes Schießpulver denken, das schon ein einziger Funke entzünden konnte. Er fragte sich, wann ein solcher Funke das Reich zur Explosion bringen würde.
    »Wie geht’s dem Vater?«, fragte er seine Mutter leise und deutete zur Kammer, aus der ein metallisches Rasseln zu hören war.
    Martha Wielenbach rieb sich die müden Augen, so dass roter Beerensaft wie Blut auf ihrer Stirn kleben blieb. »Es … es wird wohl bald vorüber sein«, erwiderte sie. »Pater Tristan war schon zwei Mal bei ihm. Der Pater meint, er könne nur noch für ihn beten. Wenn er schläft, hat er wenigstens keine Schmerzen.« Sie presste die

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